Erhalten
gebliebene Kirchenglocken aus dem Kreis Groß Wartenberg
Walter Blech / Otto Scholz / Werner Seibt
Bekannt sind bisher nur drei Fälle in denen Glocken aus Kirchen des
früheren Kreises Groß Wartenberg außerhalb Schlesiens nach dem Krieg in
der Bundesrepublik Deutschland einen neuen Platz fanden.
Bereits 1960 berichtete Superintendent i.R. Walter Blech, daß er in
Parensen, Kreis Göttingen, seinem damaligen Amtssitz als Geistlicher,
(1945 - 1955) die Mitteilung bekam, daß sich auf dem Hamburger
"Glockenfriedhof" eine Glocke aus der alten Festenberger Kapelle
befindet. Die Kapelle besaß nur diese eine Glocke. Da es eine sehr alte
und wertvolle Glocke war, hat man sie in die Reihe der C-Glocken
eingereiht und dadurch hat sie den Krieg überdauert. Zuerst wurden
sämtliche Glocken der A- und B-Reihe eingeschmolzen. Die Glocke ist auf
seine, Sup. Blechs Anregung der Gemeinde Parensen zur Verfügung gestellt
worden und wurde am 30. März 1952 ihrem neuen Gebrauch übergeben. "Die
Glocke ist der Gemeinde Parensen als Patenglocke übergeben worden,
bleibt aber Eigentum der Kirchengemeinde Festenberg und soll dorthin
zurückkehren, wenn sich das Tor zur Heimat wieder auftut", wie Sup.
Blech dazu schrieb.
Die Glocke hat folgende Inschrift: Anno 1655 nach Christi, unseres
Erlösers und Seligmachers Geburt, hat der wohledelgeborene, gestrenge,
auch hochbenambte Herr Sigemund von Köckeritz und Friedland auf
Festenberg, Gr. Sirchen, Linsen und Neudorf, Fürstl Württemberg
Oelsnischer Rat, nebst dessen herzliebsten Ehegenossin, der
wohlgeborenen Frauen, Frauen Mariae Köckeritzin, geborene Sauermann
Freyen von der Jeltsch, Frauen auf Festenberg - diese Glocke bereiten
und verfertigen lassen, treulichst wünschend, das solche bei reynem (=
reinem) Gottesdienste zur
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Glocke aus der Festenberger Kapelle
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Fortpflanzung dessen Ehre und des allein selig machenden Wortes bis zum
lieben jüngsten Tage gebraucht werden möge".
Darunter steht das Wort
Psalm 146 V 1 und 2: "Lobe den Herrn, meine Seele, - ich will den Herrn
loben, solange ich lebe, und meinem Gott lobsingen, solange ich hier
bin". Ferner zeigt die Glocke das von Köckeritzsche Wappen und auf der
anderen Seite die Inschrift: "Sebastian Götz goß mich zu Breslau".
Bei der zweiten erhalten gebliebenen Kirchenglocke handelt es sich um
eine Glocke aus dem Geläut der Goschützer Schloßkirche. Auch diese
Glocke war auf dem Hamburger "Glockenfriedhof" dem Schicksal des
Einschmelzens entgangen. Sie wurde im Jahre 1951 durch den
evangelisch-lutherischen Landeskirchenrat in München als Leihglocke der
evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Edelsfeld, Kreis
Sulzbach-Rosenberg (Opf.) zugewiesen. Die Glockenweihe fand am
Ostersonntag 1952 in Edelsfeld statt. So hat auch diese Glocke eine neue
Heimat gefunden. Die über 200 Jahre alte Glocke wurde 1752 in Breslau
von Meister Gottfried Schnellrad gegossen. Sie trägt ein Wappenbild der
ehemaligen Eigentümer der Schloßkirche, der Grafen von
Reichenbach-Goschütz und außerdem den Spruch: "Dem großen Gott zu Ehren,
laß ich mich oftmals hören." Diese Mitteilung machte der am 2.4.1969
verstorbene ehemalige Gräfl. Amtmann Otto Scholz, zuletzt wohnhaft in
Windsbach (Mfr.), Denkmalstraße 14.
Zwei weitere erhalten gebliebenen Kirchenglocken sind die beiden Glocken
der Groß Wartenberger Schloßkirche. Sie sind bereits über 180 Jahre alt
und haben eine bewegte Geschichte hinter sich. Propst Werner Seibt
berichtete darüber: Einer echten Odyssee gleicht die Geschichte der
beiden Glocken, die heute im Turm der Preetzer Stadtkirche hängen. Der
Breslauer Glockengießermeister Johann Krieger goß die beiden etwa 28
bzw. 14 Zentner schweren Bronzeglocken im Jahr der französischen
Revolution 1789. 127 Jahre lang läuteten sie vom Turm der evangelischen
Schloßkirche in Groß Wartenberg. Sie läuteten zum Einzug der Königin
Luise und zum Kaiser- und Königstreffen 1813, zu manchen anderen
Festtagen des Hauses Biron von Curland oder der Stadt Groß Wartenberg im
19. Jahrhundert und wanderten im 1. Weltkrieg 1916 auf den großen
Hamburger Glockenplatz, um zu Kartuschhülsen verarbeitet zu werden.
Allein ihr Klang und Alter, vielleicht auch der auffallend reiche
lateinische Text auf dem Glockenmantel bewahrte die beiden Glocken vor
dem Einschmelzen. 1919 kehrten die beiden Hamburg-Reisenden nach Groß
Wartenberg zurück, wo sie bis 1943 weitere 24 Jahre zu Freud und Trauer
läuteten. Als man sie schließlich im Januar 1943 wiederum vom Turm
herunterholte, glaubte jeder, daß das letzte Stundengeläut auch der
endgültige Abschied sein würde. Wieder landeten die beiden Glocken auf
dem Hamburger "Glockenfriedhof" am Freihafen, wo sie erstaunlicher
Weise erneut vor dem Schicksal des Einschmelzens bewahrt blieben.
Seit der Freigabe durch die britische Militärverwaltung im Jahre 1947
sind sie als Patenglocken in Preetz in Holstein zusammen mit dem letzten
Pfarrer von Groß Wartenberg, der seit 1946 an der Preetzer Stadtkirche
eine neue Tätigkeit fand. Pastor Seibt ist nun inzwischen als Propst
nach Neustadt in Holstein gegangen, die Glocken der Schloßkirche fanden
im Turm der Preetzer Stadtkirche eine vorläufig endgültige Heimstatt.
(Nach W. Seibt, Preetz Holstein in Groß Wartenberger Heimatblatt 1965,
Nr. 2, Februar)
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