Vom Lehrerverein Neumittelwalde

Von Erdmann Kiese

Wann der "Preußische Lehrerverein" gegründet wurde, ist mir nicht mehr in Erinnerung. Wann der "Schlesische Lehrerverein" gegründet wurde, weiß ich auch nicht; aber ich kannte einen der Gründer, Traugot Kapuste. Er war ein Freund meines Vaters und Seminarkollege aus Münsterberg. Mitgründer und langjähriger Vorsitzender des Kreislehrervereins Groß Wartenberg war Hauptlehrer Flegel aus Mangschütz. Der Lehrerverein Neumittelwalde wurde um 1885 gegründet. Seine "Paten" waren die damaligen Lehrer, späteren Hauptlehrer, Karl Langer aus Kraschen, Paul Kiese aus Klenowe und Hermann Barth aus Neumittelwalde. Sie blieben bis zu ihrem Tode die Vorsitzenden ihres Ortslehrervereins. Mit vieler Mühe konnte ich ein Bild der "Drei Weisen" besorgen, die die Geschicke so vieler junger Lehrer geleitet haben, bis sie "fertige Lehrer" wurden.
Von dem damals "Königlich Preußischen Schullehrerseminar", wie sie einstmals hießen, die strengen Internate mit dem peinlich geregelten Tagesablauf von 6 bis 22 Uhr! Stadtausgang von 19 bis 20 Uhr! wurden die jungen "Schulamtsbewerber", etwas über 20 Jahre alt, in die "Freiheit" entlassen. Nach zwei bis drei Jahren mußten sie zurück in ihre Seminare und in einer vierzehntägigen Prüfung beweisen, daß sie charakterlich und pädagogisch gereift waren und zum "Lehrer auf Lebenszeit" geeignet waren.

Nun begann die Arbeit des Lehrervereins! In jedem Monat war an einem Nachmittag in der "Sonne" zwei bis drei Stunden "Sitzung"! Ein junger Kollege hielt einen "Vortrag" über ein Problem, welches ihn besonders interessierte; oder von dem er glaubte es nicht bewältigen zu können. Danach wurde über das Thema gesprochen und versucht zu helfen. Auch Unterrichtsbesuche bei alten und jungen Lehrern wurden durchgeführt und ausgewertet.
Damit sich die jungen Kollegen in den einsamen Dörfern nicht selbst überlassen und vereinsamt fühlten, standen ihnen die Familien der älteren Lehrer stets offen.
An Geburtstagen der Familien reichten die Wohnräume manchmal nicht mehr aus! Streuselkuchen und Baben wurden gebacken und restlos verzehrt, da mußten manchmal die "Vorratsplätzchen für alle Fälle" noch aushelfen! Meine Mutter machte manchmal eine kleine Waschwanne voll Kartoffelsalat zum Abendbrot und einen Riesenberg belegte Brote. Alkohol gab es kaum, nur etwas Rum in den Tee. Zigaretten wurden nicht geraucht, nur Zigarren, wer sie schon vertrug! Trotzdem wurde viel gelacht und man war fröhlich. Oft kamen die jungen Kollegen mit ihrer "Großen Prüfungsarbeit", die dann besprochen und verbessert wurde. Fremdworte und Kommafehler durften nicht enthalten sein. Die Arbeit mußte in Schönschrift nach dem "Deutschen Normalalphabet" eigenhändig geschrieben sein! Groß war dann die Freude, wenn die jungen Kollegen nach bestandener "Zweiten" als fertige Lehrer aus ihren Seminaren zurückkamen. Und manchmal schmunzelten die "Drei Senioren", wenn sie einem "Luftikus" gratulierten, dem sie durch Briefe an ihre Freunde in den Seminaren geholfen hatten, die Prüfung zu bestehen. So stammten doch die beiden Seminar-Ober-Studienräte Bojak und Heintke aus Neumittelwalde und der Brieger Seminar-Ober-Studienrat Scholz war bei meinem Vater in Klenowe "Zweiter Lehrer" und sein Schwager. Der "Alte Ma", Materne, in Oels war Vaters Heimatfreund.
Den damaligen Lehrern lag viel an der Weiterentwicklung der Volksschule und des Lehrerstandes. Sie kämpften um die Einführung des Faches "Heimatkunde" vom 1. bis 4. Schuljahr und daraus entstand der Gedanke der "Grundschule" vom ersten bis vierten Schuljahr. Ich fand ein Hundertseitenreferat meines Vaters über: "Gedanken über Einführung eines Faches Heimatkunde in den ersten vier Jahren der Volksschule! " Gehalten vor der Kreislehrerversammlung in Groß Wartenberg 1894. Diese Tagungen dauerten 3 bis 4 Tage und waren alle Jahre von der Regierung angeordnete Pflichtveranstaltungen für alle Lehrer des Kreises.
Erst nach dem Ersten Weltkriege wurden diese Gedanken verwirklicht und die Grundschule Klasse 1 bis 4 als Pflichtschule für alle preußischen Kinder eingeführt. Schulrat Gustav Schmidt gab 1921 die "Amtlichen Richtlinien für die Grundschule in Preußen" heraus. Er wurde der "Grundschulschmidt" genannt. Er war auch drei Jahre mein Schulrat in Sprottau und begeistertes Mitglied des Preußischen Lehrervereins. Also auch in dem kleinen Lehrerverein in Neumittelwalde wurde Schulpolitik gemacht und an einer Schulreform gearbeitet, die nach dreißig Jahren Wirklichkeit wurde. Zu ihrer Freude und Genugtuung konnten die "Drei" diese Reform noch im Dienst erleben.
Auch einen anderen Erfolg konnten sie für sich und die Schule verbuchen. Zur damaligen Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, war der Ortsgeistliche auch "Ortsschulinspektor". Er konnte Unterrichtsbesuche machen und eine jährliche Schulprüfung abnehmen. Unterrichtsprotokolle und Beurteilungen auf dem Dienstwege durch den Schulrat an die Regierung in Breslau schicken, und so Entlassung, Anstellung und Versetzung beeinflussen. Da ließen sich die "Drei" von ihren Gemeinden als Kirchenälteste in den Kirchenvorstand wählen. Auf diese Weise konnten sie den Einfluß ihres Pastors auf die Schule bremsen, bis nach dem Ersten Weltkriege dieses Amt aufgehoben wurde! Ein Beispiel: In einer Lehrerdienstwohnung fielen die Fensterscheiben aus den altersschwachen Rahmen.
Abb. 162
Sechs "Alte Schachteln"
v. l. n. r. Luise Kiese-Nitze, H. Kristmansky, Lotte Marsch, Ruth Schlenger, Erna Pusch, Frieda Simon.
Der Ortsschulinspektor veranlaßte keine Erneuerung der Fenster. Das Pastorat sollte tapeziert werden; der Kirchenvorstand bewilligte nicht! - Die Lehrerdienstwohnung bekam neue Fenster, das Pastorat seine Tapeten! So wurden die Machtverhältnisse ausgeglichen und der Schule geholfen, und aus dem "Armen Dorfschulmeisterlein" der standesbewußte Lehrer! Die alljährlichen Lehrervereinsvergnügen waren der Höhepunkt der "Ballsaison" in Neumittelwalde. Dazu wurden Vortragskünstler aus der Lehrerschaft eingeladen, die auch die eingeladene Bürgerschaft begeisterten. Ich denke dabei auch an das Michalik-Trio aus Goschütz, an das Konzert des Breslauer Lehrergesangvereins, der zu den besten Chören Deutschlands gehörte. Auch die Neumittelwalder Chöre, der Männergesangverein, und der Kirchenchor unter der Leitung von Kantor Karl Eisert, wurden bei ihren kulturell hochstehenden Veranstaltungen, von der Lehrerschaft tatkräftig unterstützt. Im Turnverein war man auch als übungsleiter und Vorstand eifrig tätig.
Abb. 163
Regie und Hauptdarsteller vom "Goldenen Kreuz"

Nur in der Schützengilde waren die Lehrer nicht Mitglieder, obwohl sie in deren Familien verkehrten und zum Königschießen, dem großen Volksfest der Neumittelwalder das drei Tage dauerte, gingen. Den Schützenball besuchte man auch nicht. Welche Gründe mögen dazu beigetragen haben? Ergründet habe ich es nicht, nur geahnt. Pazifisten waren sie nicht. Moltke, der preußische Kriegsminister sagte einmal: "Den Krieg von 1870 hat der preußische Schulmeister gewonnen!" den abwertenden Ausspruch: "Ihr Schulmeister seid ja nur Unteroffiziere!" widerlegten sie,
Abb. 164
Husaren-Fieber (1930)
indem sie schon vor 1914 als "Einjährig Freiwillige" im Heer dienten und Reserveoffiziere wurden, und so einen neuen Lehrertyp schufen. Leider sind sie alle gefallen. Der einzige Sohn von Hauptlehrer Langer Kraschen Alexander, auch Lehrer, fiel als Oelser Jägeroffizier 1914 und hinterließ Frau und Kinder!
Unter Geldopfern wurde das historische Gasthaus "Zum Goldenen Zepter", von dem aus König Friedrich Wilhelm III. 1913 den "Aufruf an mein Volk" und die Gründung des "Landeskinder-Volksheeres" und des "Schlesischen Landsturmes" in Breslau verkündete, erworben. Es wurde restauriert und zum "Schlesischen Lehrervereinshaus" ausgebaut. Hier übernachtete man und traf sich Ostern zu den Kursustreffen. Wenn man in Breslau war, ging man "auf einen Sprung" in den 1. Stock, wo die Verwaltung untergebracht war, und ließ sich über das Neueste unterrichten, denn hier traf man immer einen der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder an. Vereinsnachrichten und Artikel für die monatlich erscheinende "Schlesische Lehrerzeitung" wurden hier gesammelt und zusammengestellt. Die ehrenamtliche Verwaltung der "Lehrer-Kranken- und -Unterstützungskasse, KUK" und des Lehrererholungsheimes in OberSchreiberhau im Riesengebirge, war auch hier untergebracht. Dieses waren die ersten vereinseigenen Sozialeinrichtungen innerhalb der preußischen Beamtenschaft! Der Stolz meines Vaters war, daß sie nur mit 1,5 % Geschäftsunkosten arbeiteten, und der Schlesische Lehrerverein immer wohlhabender wurde, seine Ideale verwirklichen konnte und auch noch Forschungsaufträge vergab. Dazu hat auch der Neumittelwalder Ortslehrerverein tatkräftig beigetragen.

1934 wurde der "Schlesische Lehrerverein" durch höhere Gewalt aufgelöst und in den "Nationalsozialistischen Lehrerbund NSLB, Gau Schlesien" überführt! Das Vermögen und die Einrichtungen wurden wohlwollend übernommen und die "Alten" geschmäht!
Abb. 165
Die "Drei Weisen" v.Ln.r.: Paul Kiese Hertnann Barth Karl Langer


Woher kamen nun die "Drei Weisen"?

Es waren Kinder des Schlesischen Landes, die von ihren Seminaren gleich nach Kraschen, Klenowe und Neumittelwalde entlassen wurden, Sie blieben ihrer ersten Schulstelle treu und gaben Schulgenerationen ihre Prägung!

1. Hauptlehrer Karl Langer in Kraschen. Unter ihm entstand der Schulneubau in Kraschen um 1890. Er wurde am 22.10.1861 in Peterwitz Kreis Strehlen als Sohn eines Erbschmiedemeisters und Stellenbesitzers geboren. 1877 kam er auf die Präparandenanstalt in Großburg Kreis Strehlen. 1879 bis 1882 besuchte er das Königlich Preußische Schullehrerseminar in Steinau an der Oder. Langer war mit einer Tochter vom Kaufmann Werner aus Neumittelwalde verheiratet. Am 1.9.1882 wurde er als Lehrer in Kraschen angestellt. Hier lehrte er und erzog die Jugend bis zu seiner Pensionierung am 1.4.1927. Danach zog er nach Oels in Schlesien. Seine Flucht endete in Hermsdorf bei Waldenburg in Schlesien. Durch Einwirkung der polnischen Miliz fand der blinde Mann in der Wohnung seiner abwesenden Tochter am 13.7.1945 den Tod. Er bekam noch einen Sarg und ist auf dem Friedhof in Hermsdorf begraben. Er konnte immer so herzlich lachen!

2. Hauptlehrer Hermann Barth wurde als Sohn eines Schmiedemeisters am 11.4.1862 in Groß-Graben, Kreis Oels geboren. Nachdem er das Seminar in Steinau an der Oder besucht hatte, bekam er 1886 seine erste Lehrerstelle in Neumittelwalde. Er starb am 20.10.1921 an einer Halskrankheit (Lehrerkrankheit) und liegt auf dem Neumittelwalder Friedhof begraben. Neben der großen Stadtschule leitete er noch die Berufsschule. Außerdem gehörte er zum Vorstand des Männergesangvereins und des Turnvereins. "Onkel Hermann" war mit einer Neumittelwalder Kaufmannstochter Anna Weinert verheiratet. Ein Bild zeigt ihn noch 1920 mit seinem Lehrerkollegium. Von links Max Titze aus Groß-Woitsdorf, Hermann Reimnitz, Hermann Barth und Fritz Rolle.
Abb. 166
Das Kollegium in Neumittelwalde (1920) v. L n. r.: Max Titze, Hermann Reimnitz, Hermann Barth, Fritz Rolle


3. Hauptlehrer Paul Kiese wurde als Sohn eines Freistellenbesitzers und prinzlichen Kammerdieners in Tomnitz Kreis Frankenstein, Schlesien, am 17.3.1863 geboren. Er starb am 7.2.1926 an einem Herzschlag in Klenowe. Sein Grabstein steht heute noch auf dem verwüsteten Friedhof in Klenowe. Vorfahren seiner Ehefrau, Gertrud geborene Gärtner, waren Einwanderer aus Rohr an der Fulda. Der Töpfer und Zechmeister Jacob Rath starb am 13.3.1837 in Neumittelwalde. Seine Ehefrau, geborene Jungnickel, geboren am 4.5.1781 stammte aus Goschütz, deren Vater war dort Papiermüller und Papierfabrikant. Paul Kiese war Absolvent des Königlich Preußischen Schullehrerseminars in Münsterberg in Schlesien. 1885 bekam er in Klenowe seine erste Lehrerstelle, der er bis zu seinem Tode treu blieb. Unter ihm wurde 1892 die neue Schule gebaut. Die alte Schule blieb ein großräumiger Bauernhof (Gohla-Weyrauch).
Abb. 167
Klenower Mädchenklasse (1925) in Trachten


Die letzte Kreislehrerversammlung an der er teilnahm fand in seiner Schule in Klenowe im Herbst 1925 statt. Davon stammt auch das Bild mit den Lehrern des Kreises und das Bild der Schulmädchen mit Klenower Trachten. Es ist schade, daß der alte Fotograph Nisselbeck damals noch keine "Buntaufnahmen" machen konnte. Das Bild zeigt die Mädchen mit den damals üblichen bunten Seidenschürzen und Kopftüchern. Die beiden Mädchen mit den weißen luftigen Hauben zeigen, wie die Frauen in der heißen Jahreszeit sich bei der Feldarbeit vor der Sonne schützten. Ein großes viereckiges Leinentuch wurde zu einem Dreieck gelegt. Zwischen die lange Seite wurde eine dreieckig gefaltete Zeitung als "Steife" gelegt. An die Innenseite nähte man ein "Pfennigbändel", das unter dem Kinn
Abb. 168
Kreis-Lehrerkonferenz in Klenowe (1925) 1 Artelt (Kath. Schule Gr. W.) 2 Frau Gertrud Kiese, Klenowe 3 Wittig,Schollendorf 4 Groß,Kraschen 5 Erich Arnold, Klein-Ulbersdorf 6(?) 7(?) 8(?) 9 Max Sladek(Lehrer und Kantor, kath. Schule Neum.) 10 (? ) 11 Luise Kiese, Klenowe 12 Hauptl. Fritz Rolle, Neum. 13 Frl. Cebulla, Ober-Stradam 14 Hauptl. Karl Langer,Kraschen 15 Blümel, Rudelsdorf 16(?) 17 Scholte,Landeshalt(Kraschen-Niefken) 18 Hauptl. Paul Kiese,Klenowe 19 Schulrat Hartmann, Gr.W. 20 Max Buhl,Gr.W.(kath.Schule) 21 Hauptl. Flegel, Ober-Stradam 22 Güde(?)Kammerau 23 Karl Müller,Klenowe 24 Hermann Reimnitz,Neum. 25(?) 26(?) 27 Bininda,kath.Schule Kammerau 28 Pirting,Mühlenort 29 Exner,kath.Schule Gr.W. 30 Wieltsch,Landeshalt 31 Rose, Ottolangendorf 32(?) 33 Hauptl. Jakob,Dalbersdorf 34 Dirbach, Schleise 35 Golombek, Kunzendorf 36(?) 37 Hauptl. Max Hübner, Ossen 38(?) 39 Sprotte, Ossen 40 Hauptl. Haase, Gr. W. 41 Hauptl. Petrelli, Buchenhain 42 Hauptl. Alfred Hoffmann, Neum. 43 Kuppe, kath. Schule Gr. W. 44 Hauptl. Schneider, Gr. W. 45 (? ) (mit Hut) 46 Weigt, Distelwitz 47 Häckel, Groß-Woitsdorf 48 Willmann, Langendorf 49 (? ) 50 Dirbach, Kunzendorf 51 Dzierson, kath. Schule, Gr. W. 52 Strauß, Görnsdorf 53 Schlensog, Gr. W. 54 Wolter, Klenowe 55 Schillak, Schönsteine.
zusammengebunden wurde und den "Hut" festhielt. Diese großen weißen Tücher wurden.auch zum Tragen des Vesperbrotes benützt. Das Brot lag auf dem Rücken und die beiden Tuchzipfel wurden über die Schultern und kreuzweise über die Brust gelegt und auf dem Rücken verknotet. Ebenso trug man im Winter ein dickeres Tuch als "Seelenwärmer" verknüpft!
Erich Arnold, damals Lehrer in Klein-Ulbersdorf verfaßte einen Nachruf im "Kreiskalender von Oels, Namslau und Groß Wartenberg" verlegt von Rösch im Jahre 1927 in Oels. Rektor Hermann Reimnitz sagte in einem Briefe: "Trotz des Altersunterschiedes ist er mein richtiger Freund gewesen. Es gab mit ihm nie ein leeres Gespräch, immer nahm man irgend eine Anregung von ihm mit."
Abb. 169
Kirchenchor Neumittelwalde Ausflug nach Festenberg (1913)


Musikpädagogen und Musikleben in Neumittelwalde

Neumittelwalde war durch sein reges Musikleben im ganzen Kreis Groß Wartenberg bekannt. Es hatte eine Instrumentalgruppe, die nicht nur Marschmusik zu den verschiedenen Volksfesten, Schützen- und Turnfesten und Tanzmusik machen konnte, sondern auch die Gesangvereine bei ihren Aufführungen unterstützte. Diese Musikgruppe wurde jahrzehntelang von Kantor Karl Eisert geführt. Ein starker Männerchor übte nicht nur jeden Montag in der "Sonne", sondern beteiligte sich mit Erfolg an den verschiedenen Sängerfesten. Der "Gemischte Chor", auch "Kirchenchor" sang zu allen kirchlichen Festtagen in der Kirche und in jedem Jahr wurde eine musikalische "Aufführung" gestartet, die dann auch an anderen Orten zu Gehör gebracht wurde. Singspiele wie "Meine Schwester und ich", "Husarenfieber" und "Sechs alte Schachteln" sind noch in meiner Erinnerung.
Das Bild des Kirchenchors von 1913 zeigt noch manches bekannte Gesicht. Herren v. 1. n. r. - alles Lehrer -: Jahn, Rolle, -, Flegel, Tscheschlok, Lewerenz, -, Rudolph, Schwalbe, Damen: Simon-Schmidt, Simon-Rolle, Kiese, -, Glatz, -; unten sitzend: Hahn, Frau Eisert, Herr Eisert, Frau Stelzner-Buhr, Magda Pluntke. Bild der alten Schachteln: v. l. n. r. Luise Kiese-Nitze, H. Kristmansky, Lotte Marsch, Ruth Schlenger, Erna Pusch, Frieda Simon.

Die Musikfreude in Neumittelwalde ist in dem segensreichen Wirken der für den kleinen Ort zahlreichen Musikpädagogen begründet. So unter anderen: Fräulein Martha Häusler. Sie opferte ihr ganzes Leben der Musik. Für 40 Pfg. je Stunde hat sie sich auch zwei Jahre gequält mir Klavier- und Geigenspiel beizubringen.
Abb. 170
Antreten der örtlichen Vereine auf dem Oberring (1912)
Frl. Erna Lysong gab vorwiegend Gesangsunterricht. Sie war die Tochter des Uhrmachers Lysong am Bach. Eugen Ulbrich unterrichtete einige Jahre im Geigenspiel und verschiedenen Blasinstrumenten bevor er beim Militär seine Ausbildung als Musikmeister begann. Es gab schon vorher Militärmusiker aus der Familie Ulbrich. Dann seien noch erwähnt die Musikerfamihen Spiller, Wegehaupt u. v. a. m. Frau Gertrud Eisert unterrichtete viele Jahre hindurch im Klavierspielen, ebenso Gerda Eisert-Waller, Klavier, Gitarre und Orgel. Frl. Else Mühlich unterrichtete ebenfalls im Klavierspielen.

Mehr als 40 Jahre hindurch war es Kantor Karl Eisert, der maßgebend das gesamte Musikleben in Neumittelwalde gestaltet hat und Generationen Musikfreude vermittelt hat.
Er versah das Kirchenamt an der Evangelischen Kirche als hauptamtlicher Kantor. Es gab damals in ganz Schlesien nur rund 13 hauptamtliche Kantorenstellen. Auf sein Wirken ist zurückzuführen, daß die Neumittelwalder evangelische Kirche sehr bald mit einer für damalige Verhältnisse modernen und großen Orgel ausgestattet wurde, die Voraussetzung war für viele von ihm durchgeführte Kirchen- und Orgelkonzerte.

Hierdurch glaube ich einen kleinen Ausschnitt zum kulturellen Leben von Neumittelwalde gegeben zu haben. Der Abschnitt sollte eine späte Würdigung für alle sein, die sich um das Musildeben in Neumittelwalde verdient gemacht haben. über die hier namentlich Erwähnten hinaus gab es jedoch noch manchen, der durch sein Wirken beitrug das kulturelle Leben in unserer kleinen Stadt zu befruchten.

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