Das Schulwesen im Kreise Groß Wartenberg

Von Reinhold Jakob +

Im Jahre 1906 war das Schulwesen im Kreis Groß Wartenberg durch die Person des damaligen Schulinspektors Menzel geprägt. Später hießen die Schulinspektoren Schulräte. Menzel war ein großer, kräftiger Mann mit einem Bismarckbart. Er war die Verkörperung eines preußischen Beamten mit einem ausgeprägten Pflichtgefühl und äußerster Pünktlichkeit. Seine Schulbesuche machte er auf "Schusters Rappen". Ich persönlich habe ihn als strengen Revisor, aber auch als väterlichen Berater und Freund kennengelernt. Er hatte allerdings im Kreise einen Stamm von Lehrern, die bereits ein Lebensalter hindurch dort tätig waren und auf die er sich verlassen konnte. Mehr als 30 sind mir persönlich bekannt gewesen. Die mit diesen Männern amtierenden jungen Kollegen, die in die Stellen nachrückten, blieben dem Kreise treu.
Neben der Schularbeit waren die Lehrer gezwungen, ämter zu übernehmen, für die sich sonst niemand fand. So betätigten sie sich zum Teil in den für die Dörfer wichtigen Spar- und Darlehnskassen. Andere wieder waren Standesbeamte. Auch das Amt des Amtsvorstehers mußten sie übernehmen. Daß sie den Gemeindevorstehern bei den schriftlichen Arbeiten halfen sei nur nebenher erwähnt. Die Kreisbehörde war dafür sehr dankbar. Die Menschen, die durch die Schulen des Kreises gegangen sind, haben sich im Leben bewährt und werden sich gern an ihre Schulzeit erinnern.

Aufgliederung der Schulen
Abb. 154
Groß Wartenberg, Volksschule


In 23 Orten waren Schulen mit einem Lehrer, die sogenannten Halbtagsschulen. Davon gab es 25. Davon waren 22 evangelische und drei katholische Schulen. Katholische Schulen bestanden (neben den evangelischen Schulen) in Kammerau, Buchenhain und Rudelsdorf. Leider bestand keine Möglichkeit, die Zwergschulen mit den evangelischen Schulen zu vereinigen. Es wäre ein Segen für die Kinder gewesen.
Die zweite Gruppe der Schulen waren die dreiklassigen Schulen mit zwei Lehrern. Davon gab es im Kreise acht evangelische und drei katholische Schulen. In den Halbtagsschulen und den dreiklassigen Schulen wurden die Kinder beider Konfessionen unterrichtet, sofern nicht in einem Ort Schulen beider Konfessionen vorhanden waren. Der konfessionelle Religionsunterricht wurde von Nachbarlehrern Mittwoch oder Sonnabend nachmittags erteilt.
Abb. 155
Schule Kunzendorf


Die dritte Gruppe der Schulen waren die vierklassigen Schulen. Davon bestanden im Kreis fünf. Die Schulen evangelischer Konfession lagen in Dalbersdorf, Goschütz und Ober-Stradam, die der katholischen Konfession bestanden in Kunzendorf und Schleise. Um in diesen Schulen den Religionsunterricht für beide Konfessionen zu gewährleisten, hatte man an den evangelischen Schulen eine katholische und an den katholischen Schulen eine evangelische Lehrkraft angestellt.
Eine Schule mit vier Lehrkräften hatte die Stadt Neumittelwalde (die später jedoch vollausgebaute Rektoratsschule wurde).
Vollausgebaute Schulen (Rektoratsschulen) bestanden in Groß Wartenberg und Festenberg. An diesen Schulen unterrichteten katholische und evangelische Lehrkräfte, da diese Schulen von den Schülern beider Konfessionen besucht wurden.
Abb. 156
Neue Volksschule in Neumittelwalde

Die Stadt Festenberg unterhielt eine Mittelschule mit vier Lehrkräften. Die Schule hatte sehr guten Zuspruch.
Bis zum Jahre 1926 gab es in Groß Wartenberg eine Familienschule, die von Fräulein Brockelmann geleitet wurde. An dieser Schule unterrichteten auch die Lehrer der Volksschule. Die Schülerinnen wurden bis zur mittleren Reife gefördert. Beim übergang in eine weiterführende staatliche Schule mußten sie sich einer Prüfung unterziehen. Nach Auflösung der Familienschule errichtete man in Groß Wartenberg eine Mittelschule, die aber 1931 wieder aufgelöst wurde.
Zu erwähnen ist hier noch die nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Landschule Groß Wartenberg. Das Gebäude derselben stand in der Bahnhofstraße. Die Schaffung dieser Zwergschule wurde von der Lehrerschaft nicht verstanden. 1929 wurde sie wieder aufgelöst.
Abb. 157
Ev. Schule in Festenberg

In fast allen Schulorten bestanden die ländlichen Fortbildungsschulen, aber während des Krieges (1914-1918 und 1939-1945) mußte der Unterricht an ihnen eingestellt werden, weil man den Unterricht der Volksschulen kaum aufrecht erhalten konnte.

Die äußeren Schulverhältnisse

Die Instandhaltung der Schulgebäude, der Gartenzäune, die Beschaffung von ordentlichen Schulbänken oblag den Schulverbänden. Alles dies aber kostete Geld. Aus Mangel an Mitteln wurden daher oft notwendige Reparaturen hinausgeschoben, obwohl die
Abb. 158
Einklassenschule in Landeshalt
Regierung dafür namhafte Beihilfen gab, die oft nicht voll ausgenützt wurden. Leider fehlte es manchem Lehrer an der notwendigen Energie und sie ließen die Dinge laufen.
Im Jahre 1912 baute die Stadt Groß Wartenberg ein neues Klassenhaus und zwei Lehrerwohnhäuser mit je zwei Wohnungen. Das konnte man für die damalige Zeit wirklich als fortschrittlich bezeichnen. Die Gemeinde Kunzendorf erstellte 1911 ein Klassenhaus mit drei großen lichten Klassenzimmern und einer Wohnung für eine Lehrerin. Das alte Schulgebäude baute man zu Wohnungen um. Dadurch bekamen die Lehrer ausreichenden Wohnraum.
Abb. 159
Quäkerspeisung(Schulspeisung) in Groß Wartenberg nach dem Ersten Weltkrieg mit Lehrer Schneider

Eine gleiche Regelung mußte man 1915 in Ober-Stradam treffen. Hier stieg die Kinderzahl so an, daß die Anstellung einer dritten Lehrkraft notwendig wurde. Es wurde ein Klassenhaus mit drei Klassenzimmern und einer Lehrerinnenwohnung gebaut. Durch Umbau der alten Schule erhielten auch hier die Lehrer größere Wohnungen.
In Schollendorf war die alte Schule so baufällig, daß sich eine Reparatur nicht mehr lohnte. Daher ließ die Gemeinde eine Schule mit zwei Klassenzimmern und zwei Lehrerwohnungen bauen.
Ein modernes Schulhaus erhielt die evangelische Schule in Goschütz. Das Haus hatte drei Klassenzimmer und Wohnungen für die Lehrkräfte.
Nach dem Ersten Weltkrieg stellte die Regierung für die Grenzkreise reichlich Mittel für Schulbauten zur Verfügung. In den Jahren 1927 und 1928 bauten die Gemeinden Dalbersdorf und Schleise neue Schulhäuser. In beiden Gemeinden waren drei Lehrkräfte und nur zwei Klassenzimmer. Es mußte daher in Kurzstunden unterrichtet werden. In beiden Gemeinden wurden die Häuser mit Zentralheizung und Wasserleitung ausgestattet. Die Lehrerwohnungen erhielten Badeeinrichtungen. Beide Häuser waren mit Kochküchen versehen, weil vorgesehen war später Kochunterricht für Mädchen zu erteilen.
Um die gleiche Zeit wurden ausreichende neue Schulhäuser in Groß Schönwald, in Festenberg und in Neumittelwalde gebaut. Neue Schulen wurden in Grunwitz und Ostfelde gebaut. Leider bauten die beiden Gemeinden ohne Architekten, um zu sparen. Es fehlten daher in beiden Schulen alle modernen
Abb. 160
Schule in Groß-Woitsdorf, erbaut 1936
Einrichtungen. Die Verhältnisse der katholischen Schule in Ottolangendorf waren sehr schlecht. Eine Verbesserung hatte man 1914 geplant und beschlossen. Die Ausführung mußte durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbleiben. Erst 1930 wurde hier ein Erweiterungs- und Umbau durchgeführt. Von der alten Schule wurden nur die Kellerräume, die Mauern und der Dachstuhl benutzt. Es entstand ein Anbau mit zwei Klassenzimmern und eine Wohnung für den zweiten Lehrer. Das alte Haus wurde zur Dienstwohnung für den ersten Lehrer und zu einem geräumigen Schulflur umgebaut. Die ganze Anlage erhielt eine automatische Wasserversorgung.
Abb. 161
Schule in Klenowe

In der Hitlerzeit wurden in manchen Grenzdörfern, die schlechte Schulhäuser hatten, Schulen durch Vermittlung des Lehrerverbandes erbaut. Auch der Kreis Groß Wartenberg erhielt eine solche Schule. Sie wurde in Groß-Woitsdorf gebaut, weil dort die schlechteste Schule des Kreises war. Die Schule wurde auf das modernste ausgestattet. 1936 wurde sie mit vollständiger Einrichtung der Gemeinde als Geschenk übergeben.
Die Gemeinden waren immer bereit unzulängliche Schulverhältnisse zu bessern. Sie waren bei Beratung durch die Schulbehörde und Kreisverwaltung willig auch größere Investitionen vorzunehmen und Schulhäuser neu zu erstellen. Wo es notwendig war, versagte auch die Regierung die Hilfe nicht und griff unterstützend ein. Die Vertreter der Regierung sprachen sich bei ihren Besuchen im Kreis auch immer anerkennend aus.

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