Die jüdischen Religionsgemeinden

Von Dr. Lehnsdorf / Karl-Heinz Eisert

Die Kultusgemeinde Groß Wartenberg

Um die Jahrhundertwende zählte unsere Heimatstadt etwa 2200 Einwohner, von denen etwa ein Zehntel der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehörte.
Obschon die Stadt unweit der russischen Grenze gelegen war, durch die jeder Grenzverkehr eingeschränkt wurde, obschon sie im Osten von der Handelsstadt Kempen, im Westen von der Soldatenstadt Oels (Dragoner und Jägerbataillon) beschattet wurde, bot sich in ihr hinreichend Gelegenheit, den Bürgern eine gesicherte Bleibe zu gewähren, eine feste Existenz aufzubauen. War doch Wartenberg nicht allein Kreisstadt, Sitz einer großen Herrschaft, die damals vom Prinzen Gustav Biron von Curland geleitet wurde, der mit einer hochbegabten Französin Marquise de Jaucourt verheiratet war, sondern sie besaß auch drei Gotteshäuser, von denen die evangelische Kirche um das Jahr 1798 von C. G. Langhans im neuklassizistischen Stil errichtet ist, zwei Schulen für die Stadt- und Landschüler, ein mit drei Richtern (Gorke, Marx und Bleisch) besetztes Amtsgericht, ein Katasteramt und eine Landwirtschaftsschule, in der der Nachwuchs für die großen Güter des Kreises geschult wurde, ferner u. a. zwei Hotels (der Schwarze Adler am Ring und die Krone in der Hauptstraße), für Handel und Wandel eine Maschinenfabrik, Mühlen, Tonwarenfabrik, Tabakwarenhersteller sowie einen Speditionsbetrieb (Kontzok), um nur einige zu nennen, während eine eingleisige Privatbahn sie passierte, die von Oels über Zessel, Gimmel, Stradam, Groß Wartenberg, Perschau, Bralin, Kempen, Luisenhof, Wilhelmsbrück an die russische Grenze führte. Sie wurde kurz danach verstaatlicht.
Die jüdischen Bürger der Stadt wohnten und betrieben ihre Geschäfte in der Mehrzahl in der nach Klein-Kosel zu führenden Vorstadt, durch die man von Osten her in das Zentrum der Stadt gelangte. Dagegen befanden sich die großen jüdischen Geschäfte am Ring, vor allem das Textilwarenhaus von Nicasius Birnbaum und das Spirituosengeschäft von Lewy. Nicasius Birnbaum liebte es nicht in der öffentlichkeit aufzutreten, er beteiligte sich in der Stille am Tagesgeschehen, spendete bei öffentlichen Sammlungen reichlich und bewährte sich als honoriger Geschäftsmann. Lewy hingegen war begeisterter Schütze, förderte den Schützenverein, der von Uhrmachermeister Göbel geführt wurde, indem er ihn mit Getränken aller Art für seine Veranstaltungen versah.
Leiter der jüdischen Gemeinde war Kantor Löwenthal. Er stand bei der Bürgerschaft in hohem Ansehen und wurde von allen drei Klassen als Stadtverordneter gewählt. Als solcher trat er vornehmlich im sozialen Bereich auf und erwirkte für die Armen der Stadt manche nötigen Hilfen. Daneben wirkte er im Gesangverein tatkräftig mit, nahm auch an den Kegelabenden des Keglerklubs regen Anteil. Viel Interesse bewies er auch für die Stadtkapelle, die unter Leitung von Herrn Theile stand. Das Fotogeschäft von Hönsch an der Promenade unterstützte er, indem er dahin wirkte, daß es bei Vereinsveranstaltungen Aufnahmen machte.
Als ein Juwel betrachtete Herr Löwenthal die Synagoge, die am Eingang zur prinzlichen Gärtnerei in der Gartenstraße, unweit vom Ring, gelegen war und zu deren Besuch an großen Feiertagen er auch Andersgläubige einlud. Ihnen schilderte er die vorgeschriebenen Handlungen und Gebräuche während des Gottesdienstes, er belehrte auch die Erschienenen, warum Frauen zu dem unteren Teil des Gotteshauses während eines Gottesdienstes keinen Zutritt hätten, sondern auf einer Estrade, einem erhöhten Teil des Gotteshauses, an der heiligen Handlung teilnehmen konnten. Es verdient erwähnt zu werden, daß der Gottesdienst von einem Gesang begleitet wurde, der im wesentlichen in Moll gehalten war und bei den Teilnehmern deshalb einen tiefen Eindruck hinterließ, ähnlich, wie es bei den Bachschen Kantaten der Fall ist.
Abschließend möge festgestellt werden, daß das persönliche Verhältnis der drei Konfessionen in Wartenberg damals ein geradezu Vorbildliches war, immer war man - vor allem dank der guten persönlichen Beziehungen ihrer Leiter zueinander - heiß bemüht, auftretende Differenzen kavaliermäßig zu erledigen und dabei wirkte der Rabbinatsvertreter Löwenthal stets entscheidend mit. Dr. L.

Aus der Geschichte des IX. Synagogenbezirks

Franzkowski berichtet über die jüdischen Religionsgemeinden im Kreise Groß Wartenberg auf Seite 510: "Die Juden spielten in Schlesien immer wieder die Rolle der Geldgeber, denn geldbedürftige Fürsten waren nicht selten die Schuldner. Es ist leicht erklärlich, daß die Juden diese ihnen äußerst günstigen Umstände fleißig ausnützten, zu großem Reichtum und dadurch zu mächtigem Einfluß gelangten, was natürlich bei den Christen Neid und Groll erweckte." Die Juden werden je nach Ansicht der jeweiligen Herrscherhäuser entweder toleriert oder unterdrückt. Erst durch Gesetz vom 11.3.1812 erhielten die Juden des preußischen Staates die Berechtigung zum staatsbürgerlichen Betrieb. Schon 1791 wurde den in Schlesien wohnenden Juden aufgegeben, sich bleibende Familiennamen beizulegen.
Eine Verordnung vom 25.6.1812 verpflichtete sie, Geburten, Eheschließungen, Ehescheidungen, Todesfälle binnen 24 Stunden bei der Polizeibehörde anzuzeigen. Die Oberaufsicht über alle Judengemeinden der Provinz Schlesien übte in religiöser Beziehung der Oberrabbiner zu Breslau aus.
Der Kreis Groß Wartenberg bildete den IX. Synagogenbezirk des Regierungsbezirkes Breslau. Groß Wartenberg war Hauptort. Alle im Kreis wohnenden Juden waren Mitglieder dieses Bezirks. Die Vertretung dieses Bezirks geschah durch die Repräsentanten-Versammlung. Die Verwaltung übte der aus drei Mitgliedern und zwei Stellvertretern bestehende Synagogen-Gemeindevorstand aus. Alljährlich im Januar wurde unter dem Vorsitz des an Jahren ältesten aus Vorstand und Repräsentanten ein Vorsitzender, und ein Stellvertreter gewählt, die Wahl unterlag der Genehmigung durch die Regierung. Die Juden mußten dafür sorgen, daß es keinem jüdischen Kinde an dem erforderlichen Religionsunterricht mangelt. Ebenso war die Errichtung und Unterhaltung der Begräbnisplätze Sache der jüdischen Gemeinden.
Der IX. Synagogenbezirk zählte bei seiner Errichtung im ganzen 106 jüdische Familien. In Groß Wartenberg waren es 28 in der Stadt und 20 auf dem Lande, in Festenberg waren die Zahlen 20 und 2, in Neumittelwalde 11 und 13 und in dem damals noch zum Kreis gehörenden Bralin 12 und 0.
Der erste Vorstand des IX. Synagogenbezirks bestand aus Kaufmann und Rittergutsbesitzer Samuel Guttmann, Groß Wartenberg, als Vorsitzender, Kaufmann J. L. Laquer, Festenberg, als Stellvertreter, und Kaufmann Bernhard Peiser, Festenberg. Mitglieder der ersten Repräsentanten-Versammlung waren J. Mendelsohn, als Vorsitzender, J. Wartenberg, S. Friedländer, A. Peiser, C. W. Laquer, Brinnitzer, W. Lewy, Benjamin Lewy, Elkan Markus und S. Hartmann. Weitere Synagogenbezirksvorsitzende (Vorsteher) waren Moritz Uko, Groß Wartenberg, bis zu seinem Tode am 14.8.1897; Fleischermeister Oskar Henschel, Groß Wartenberg, bis zu seinem Tode am 29.4.1903; Kaufmann Nikasius Birnbaum, Groß Wartenberg von 1903 bis zum ersten Weltkrieg (danach wohl Kaufmann Mendel, Groß Wartenberg). Vor dem Ersten Weltkrieg waren Mitglieder des Synagogenbezirks außer Birnbaum, noch der Kaufmann Max Schacher aus Groß Wartenberg, Tierarzt Jungmann, Festenberg und zwei Stellvertreter aus Bralin. Mitglieder der Repräsentanten-Versammlung waren damals: Kaufmann Isidor Altmann, Groß Wartenberg, als Vorsitzender; Kaufmann Louis Werner, Groß Wartenberg; Agent Raphael Unikower, Groß Wartenberg; Moritz Süßmann, Neumittelwalde; Leopold Brinnitzer, Festenberg; Emil Bielski, Festenberg; Hermann, Festenberg, Adolf Königsberger, Festenberg; Bergmann, Kraschen; Sorski, Festenberg, Louis Jakob, Groß Wartenberg.
Unterm 10. Juni bzw. 5. Juli des Jahres 1825 erwarb die jüdische Gemeinde käuflich das an der Stadtmauer gelegene Hausgrundstück, Nr. 92, Badergasse, (zuletzt Gartenstraße). Da die jüdischen Religionsgemeinschaften die Rechte der öffentlichen Kirchengesellschaften nicht genossen und kein Vermögen auf den Namen der Religionsgemeinschaft erwerben durften, wurde um die Erlaubnis des Staates zur Erwerbung des Hauses und zu seiner Einrichtung als Synagoge nachgesucht. Das Gesuch der beiden damaligen Gemeinde-Vorsteher Abraham Altmann und Simon Hirschel (Herschel) hatte Erfolg und die Konzession wurde erteilt. Der Einrichtung eines Bethauses und der damit verbundenen Schächterwohnung stand nun nichts im Wege und wurde bald in Angriff genommen.
Bereits im Jahre 1880 (5640 jüdischer Zeitrechnung) wurde ein Neubau notwendig. In seiner südlichen Hälfte enthielt er die gottesdienstliche Versammlungsstätte mit dem Portal und Vorraum, in der nördlichen Hälfte ist die Schächterwohnung mit einem besonderen Eingang. Um den nun durch den Neubau verlegten Verbindungssteg zwischen Gartenstraße und Stockgasse kam es zu einem Verwaltungsstreitverfahren mit der Stadt. Er endete mit einem am 25.4.1910 geschlossenen Vergleich zwischen Polizeiverwaltung und Stadt und dem Synagogenvorstand.
Im Jahre 1803 besuchten die jüdischen Kinder vorwiegend die katholische Schule. Von 1819 bis 1834 finden wir "jüdische Schulmeister" in Groß Wartenberg. Am 1. November 1834 wurde Löbel Pakulla an der jüdischen Schule als öffentlicher Lehrer von der Stadt angestellt. Die Schule bestand nur ein Jahr, Pakulla wurde entlassen und Nathan Gutsmann zum Religionslehrer ernannt. Julius Hoffmann war zwei Jahre Elementarlehrer von 1836 bis 1838 an der wieder eröffneten Schule. Als die Schule wiederum aufgelöst wurde, blieb Hoffmann als Privatlehrer einiger wohlhabender Familien. 1842 ging er nach Festenberg, kam aber 1844 wieder zurück. 1849 erteilt die Regierung einem Thilo die Genehmigung für jüdischen Religions- und hebräischen Sprachunterricht. Die gleiche Genehmigung erhielt 1851 Louis Löwenthal. Seit 1838 bestand keine jüdische Schule mehr und die Kinder besuchten zumeist die evangelische Schule. Der Kultusbeamte erteilte ihnen den jüdischen Religionsunterricht.
Als Kultusbeamte sind außer den vorstehend genannten bekannt: Beer Grünfeld (1846/48); Joseph Hirsch Landau (1848-59); Simon Schlesinger (1860); Joseph Hirsch Landau (1861-62); Joseph Markus Rektor. Er war der erste nach dem Statut vom 18.6.1861 angestellte Kultusbeamte (Kantor, Schächter und Religionslehrer). Er war verpflichtet, sonn- und festtags ausgeschlossen, den Kindern jüdischer Eltern täglich drei Stunden jüdischen Religionsunterricht zu erteilen, den Mitgliedern der Gemeinde Flügelvieh, den Fleischern Rindvieh, Kälber und Hammel unentgeltlich, den letzteren dagegen nur gegen übergabe von "Krupka" bzw. Schlachtmarken zu schlachten.
Bei Abnahme von Eiden wurde der Kultusbeamte von dem jeweiligen Gericht hinzugezogen. Parteieneide wurden in der Synagoge geleistet. Weitere Kultusbeamte waren 1867 R. Rosenbaum, 1871 Eduard Lewy, 1875 bis 1878 Moritz Löwenthal, 1879 Moses Rosenau, 1880/81 Hoffstein, ab 1.4.1881 wiederum Moritz Löwenthal. Er erhielt ab 1885 auch die Erlaubnis in Festenberg als Religionslehrer und Sprachlehrer zu wirken. Löwenthal ging 1905 nach Breslau. Hermann Jungmann trat an seine Stelle. 1906 folgte Simon Lewin und 1908 Adolf Kleczewski. Die letzten Kultusbeamten sind nicht mehr namentlich zu ermitteln.
Einen Begräbnisplatz besaßen die jüdischen Einwohner Wartenbergs schon sehr früh. Er lag außerhalb der Stadt gegenüber dem "Hochgericht" auf den Wiosker Stadtäckern. Als im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts die Wartenberger Judengemeinde sich völlig auflöste verfiel der Friedhof vollständig. Die wenigen Juden die dann noch in Groß Wartenberg lebten begruben ihre Toten in Krotoschin oder Kempen. 1820 wurde der alte "Judenkirchhof" wieder planiert, vergrößert, mit Entwässerungsgraben und einer Umfriedung versehen und neu eröffnet. 1871 erhielt der Begräbnisplatz eine neue Umfriedung mit gemauerten Pfeilern und Portal nebst Leichenhalle.
Zweier Angehöriger der Wartenberger jüdischen Gemeinde sei hier noch gedacht: Esther Treuhold wurde in Groß Wartenberg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geboren, sie war die Gattin des seinerzeit bedeutenden Breslauer Hirschel (Herschel). Hirschel war geschätzter Biograph und Mitherausgeber der Gedichte Efrajim Kuh' (Nach dem Jüdischen Volksund Hauskalender für 1899 S. 38). Simon Schlesinger wurde 1793 in Wartenberg geboren und kämpfte als freiwilliger Jäger in mehreren großen Schlachten des Befreiungskrieges. Er wurde bei Leipzig im Einzelgefecht von einem fränzösischen Karabiner durch Kopfhieb schwer verwundet. (Nach einer Angabe "Im deutschen Reich", erschienen in Berlin im Jahre 1906.)
Wie in Groß Wartenberg und in Neumittelwalde gab es auch in Festenberg eine jüdische Gemeinde. Sie bildete sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts aus den aus Polen geflüchteten Juden. Es gab in Festenberg einen sehr alten jüdischen Begräbnisplatz auf einem von Kiefern umstandnen Sandhügel gelegen. Pastor Feist schrieb über diesen in Festenberg allgemein als "Judenberg" bezeichneten Hügel in der "Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens" Bd. 42, Seite 208: "Die ältesten Grabsteine, deren Schrift noch entziffert werden kann, reichen bis in die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts zurück; sichtlich aber sind diejenigen, deren Schrift vom Wetter vernichtet ist, noch weit älter." Dieser jüdische Begräbnisplatz, der Judenberg in Festenberg, ist heute von der Bildfläche verschwunden, er wurde von den Polen eingeebnet.
Die in Festenberg ansässigen Juden befaßten sich meist mit dem Tuchvertrieb, denn Festenberg war damals eine Stadt der Tuchweber. Außerdem spielten die Festenberger musizierenden Juden eine große Rolle. Sie zogen im Lande herum und waren besonders für Hochzeitsfeste sehr begehrt. Aus den damaligen Akten der Synagogengemeinde ist im Jahre 1802 der aus Festenberg stammende Hirsch Katz, Sohn des Seckel, zu erwähnen. Er war Setzer in Dyhrnfurt und war dort mit dem Drucken des Talmud und jüdischer Dezisoren beschäftigt. Unter den Vorausbestellern (Subskribenten) auf das 1833 in Berlin erschienene Werk Salomo Pleßners "Die apokryphischen Bücher ins Hebräische übersetzt", waren auch acht Festenberger Juden, auch ein Rabbinatsverweser und Kantor. Man kann daraus schließen, daß die Festenberger Juden auch wissenschaftliche Interessen hatten.
Im Jahre 1812 gab es 49 jüdische Familien mit 217 Personen und es bestand sogar eine eigene jüdische Schule, an der zwei Lehrer unterrichteten. Die Zahl der Juden in Festenberg ging jedoch langsam, aber stetig zurück und die Schule wurde aufgelöst. Seit dieser Zeit besuchen die jüdischen Kinder die christlichen Schulen in Festenberg. Eine eigene Synagoge war nicht vorhanden. Es gab nur einen gemieteten Betsaal. Zeitweise half der Groß Wartenberger Kultusbeamte bei gottesdienstlichen Handlungen und beim Religionsunterricht aus. Vor dem ersten Weltkrieg ist als Religionslehrer ein gewisser Dr. Tiktin bekannt. Dem Lokalvorstand gehörten zuletzt an: Leopold Brinnitzer, Emil Bielsky und Emanuel Heimann. Aus den letzten Jahren waren bedeutende Mitglieder der jüdischen Gemeinde Festenberg der Kaufmann Brinnitzer und Dr. med. Heimann.
Die Neumittelwalder jüdische Gemeinde ist schon seit 1657 nachgewiesen. In diesem Jahr am 14. April privilegierte Herzog Sylvius die aus Polen in seinen Herrschaftsbereich geflohenen Juden sich in seiner Herrschaft Medzibor bei dem Städtlein Mittelwaldau (Neumittelwalde) niederzulassen. Er unterstellte sie seinem dortigen Hauptmann und gestattete ihnen allerlei Handel, Wandel, und Krämerei mit allerhand Waren, Spezerei, Gewürz und allen anderen Sachen frei und ungehindert zu treiben, auch Grob- und Kleinvieh nicht bloß für ihren eigenen Bedarf, sondern auch zum feilen und freien Verkauf zu schlachten, wie in den Akten des Fürstentums Oels zu lesen war.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lebten in Neumittelwalde 20 Juden. Ihre gottesdienstlichen Versammlungen hielten sie in einem gemieteten Lokal. Ein Isaak Ascher war Kantor, Lehrer und Schächter. Er war auch gleichzeitig konzessionierter Rechtshelfer (Konzipient) und wurde deswegen von seinen Glaubensgenossen viel angefeindet. Im Jahre 1864 folgte ihm im Amt Samuel Schindler. Der 1847 gebildete erste Lokalvorstand der Judengemeinde Medzibor, zu der auch die Juden aus den umliegenden Dörfern zählten, bestand aus den Mitgliedern: Moritz Lewy, Löbel Michlowitz und Salomon Hartmann. In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg (bis 1933) gab es in Neumittelwalde noch drei jüdische Familien. Der Kaufmann Katz errichtete in dem umgebauten ehemals Wittkowski'schen Gasthaus ein Textilkaufhaus. Es bestand nur kurze Zeit und Katz ist mit seiner Familie bald wieder aus Neumittelwalde weggezogen. Lange Zeit lebte der alte Laquer mit seiner Tochter Elli in Neumittelwalde. Laquer ist gestorben und seine Tochter verschwand aus Neumittelwalde ebenso wie der Schuhkaufmann Moritz Süßmann mit seiner Familie, der wirklich bis zuletzt in Neumittelwalde ausgeharrt hatte, obwohl sein Geschäft in den letzten Jahren sicher nicht mehr allzu großen Profit abwarf. Es ist nicht mehr zu ermitteln, ob Süßmann noch die Möglichkeit hatte, sich im Ausland in Sicherheit zu bringen. Von den in Groß Wartenberg beheimateten jüdischen Familien lebten die Familie Nossen in Israel, Angehörige der Familie Striem in England und Nelly Link, aus dem Schuhgeschäft auf der Kempner Straße herstammend, in USA. Nachfahren der Familie Mendel leben in Südamerika. Alle jüdischen Familien fühlen sich auch heute noch trotz aller grausamer Verfolgung, der sie in den Jahren nach 1933 ausgesetzt waren, eng mit dem alten Kreis Groß Wartenberg verbunden. Es war auch ihre Heimat, deren Verlust sie schmerzhaft traf. K.H. E.

Impressum / Rolf's Email / Rolf's Homepage / Kreis Groß Wartenberg / Buch Inhalt