Der Amtsbezirk Grenzhammer

mit den Dörfern Grenzhammer, Altglashütte, Neurode, Wedelsdorf und Weidendorf, im nordwestlichen Teil des Kreises gelegen.

Von Alfons Pohl +

In diesem Gebiet liegen viele Teiche. Es ist von Wasserläufen durchzogen, die allmählich in die Bartsch (Nebenfluß der Oder) einmünden. Das Gelände ist flach und teilweise sehr tief gelegen. Wie fast alle rechtsseitigen Nebenflüsse der Oder hat auch die Bartsch ein geringes Gefälle, wodurch die Teichbildung begünstigt wird. Auf den Teichsohlen hat sich Raseneisenstein gebildet, der längere Zeit zur Eisengewinnung verwertet wurde. Noch Friedrich der Große hat diese Art der Eisengewinnung begünstigt. Charakteristisch für diese Gegend ist es, daß sehr viele Wohn- und Wirtschaftsgebäude aus solchen Raseneisensteinblöcken seinerzeit erbaut wurden. Später wurden Ziegelsteine verwendet, die aus den etwa 10 km entfernten Ziegeleien herbeigeschafft werden mußten.
Der Boden war Sand; die höher gelegenen Flächen ziemlich leichter Sand der meist mit Kiefern bepflanzt war. Die tiefer gelegenen Flächen bestanden aus anmoorigem Sand, der, besonders wenn er entwässert (drainiert) werden konnte, sehr fruchtbar war. Infolge der schwierigen Vorflutverhältnisse waren nur einige Flächen drainiert. Auf den leichten Sandflächen hatte das Rittergut Grenzhammer eine etwa 3 ha große Spargelplantage angelegt, die sehr gut war. Sonst wurden angebaut: Roggen, Hafer, Gerste, wenig Weizen, Lupinen (Süßlupinen), Seradella, Kartoffeln (reichlich) und Futterrüben. Klee kam wenig vor. Neben der ausgiebigen Rindviehhaltung (der Weide- und Wiesenanteil war groß) wurden reichlich Schweine gehalten und zwar Zucht- und Mastbetrieb.

Weidendorf lag in der Nordwestspitze des Kreises, war ziemlich klein, hatte eigene Gemeindeverwaltung und gehörte zum Amtsbezirk Grenzhammer. Die Kinder besuchten eine Schule, die im dicht dabei liegenden Dorfe Wehlige (Kreis Militsch-Trachenberg) lag. Weidendorf hatte etwa 100 Einwohner. Es gab ein Gasthaus, wo auch "Kolonialwaren" zu haben waren. Der größte Bauer hatte etwa 20 ha, die anderen Bauern (etwa 4 bis 5) hatten weniger als 20 ha. Der Boden war tief gelegen und ertragsfähig, soweit er nicht unter stauender Nässe litt. Die Weiden und Wiesen waren gut. Um der stauenden Nässe zu begegnen, wurde ein Teil der Ackerflächen in einem für diese ganze Gegend typischen Bestellungsverfahren bebaut. Es wurden in etwa vier bis fünf Meter breiten Beeten alles gepflügt und bestellt. Das ist natürlich ein sehr primitives Verfahren, ergibt aber immer noch Ernten, die man bei dem Flachbestellungsverfahren nicht erzielt hätte.
Der Wald der Gemarkung Weidendorf gehörte einem Herrn von Lipski, dem auch der Wald im nahen Neurode gehörte.

Neurode mit Waldhäuser (45 ha) lag weniger tief und hatte durchschnittlichen Sandboden. Ein aufgelassenes Gut, wurde an die vorhandenen Kleinlandwirte verkauft, die auf diese Weise zu einer ausreichenden Betriebsgröße kamen.
Neurode hatte schätzungsweise 250 Einwohner, eine eigene Schule und eine evangelische Kirche, die in den Jahren um 1928 erbaut worden ist. Der Kirchenbau wurde notwendig, weil ein Besuch der im nahen Suschen gelegenen Kirche nach der Grenzziehung von 1921 untersagt worden ist. Besonders verdient gemacht hat sich beim Kirchenbau der damalige Gemeindevorsteher Mundry. Neurode gehörte zum Amtsbezirk Grenzhammer, von dem es nur 2 km entfernt lag. Obwohl die landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse durch die Aufsiedlung des Gutes verbessert worden sind, mußten die Menschen teilweise Arbeit in der Industrie im Mittelschlesien und weiter westlich suchen. Auch von dem Gute des nahe gelegenen Grenzhammer waren einige Flächen an Bauern in Neurode verpachtet.
In Neurode hatten 11 Besitzer über 10 ha, während etwa 42 Besitzer unter 10 ha besaßen. Der Wald in der Gemarkung gehörte dem Herrn von Lipski. Neurode hatte ein Gasthaus (Schettel) und ein kleines Kolonialwarengeschäft (Pietzuch). Das Dorf besaß nach drei Seiten gute Straßenverbindung. Die postalische Versorgung erfolgte von Militsch aus mit Postomnibus, der auch Personen beförderte. Die erzeugte Milch wurde zusammen mit der Milch von Grenzhammer täglich durch Auto in die Molkerei nach Festenberg geschafft. Die Flächen der Gemarkung Neurode litten wenig unter Nässe.

Grenzhammer war Sitz des Amtsvorstehers und Mittelpunkt der dortigen Gegend, in der es das größte Dorf war. Chausseeverbindung nach Hochweiler Kreis Militsch-Trachenberg (10 km) wo die Eisenbahnstation für die ganze dortige Gegend war. Auch die benachbarten Dörfer Neurode, Wedelsdorf, Altglashütte und Charlottenthal hatten Chausseeverbindung.
Die Gemarkung von Grenzhammer wurde vom Starsener Mühlgraben durchzogen, der aus den Teichen gespeist wurde und wieder in die Teiche einmündete. In manchen Jahren hat er die anliegenden Wiesen weit überschwemmt. Die anliegenden Wiesen waren gut bis mittel und zum Teil wie die Hammerteichwiesen künstlich durch eingebaute Schleusen bewässerungsfähig. Das Ackerland bestand aus mittlerem Sand mit einzelnen Flächen anmooriger Sand, der soweit er drainiert war, recht ertragreich war.
Die Gemeinde hatte eine eigene Schule mit zwei Lehrern und zwei Klassenzimmern, eine katholische Kirche, die mehr als 600 Jahre alt war. Eigene Pfarrei wurde Grenzhammer nach 1919, weil die Verbindung zu Tscheschen, wo seit 800 Jahren die katholische Pfarrkirche war, durch die widerrechtliche Grenzziehung im Jahre 1919 zerrissen wurde. Der langjährige Pfarrer und spätere Erzpriester Alfons Poinke stammte aus Tscheschen. Er blieb auch nach der Vertreibung in Grenzhammer und fand dort den Tod, nachdem er noch schwere Zeiten unter den Polen durchleben mußte. Neben der Pfarrei war eine Schwesternstation, deren Schwestern einen Kindergarten unterhielten und sich der Krankenpflege widmeten.
Ein Gasthaus, ein größeres Lebensmittelgeschäft, das die ganze Gegend mit den notwendigsten Bedarfsgütern versorgte und zwei Schmiede waren im Dorfe. Eine Bäckerei, die auch eine Windmühle unterhielt und eine zweite Bäckerei, die auch sonstige Bedarfsgüter zum Verkauf hatte, versorgten die Bevölkerung.
Das Dorf hatte etwa 530 Einwohner und bestand aus dem Rittergut, das dem Domkapitel zu Breslau gehörte. Es umfaßte 172 ha. Der Wald gehörte ebenfalls dem Dom in Breilau und umfaßte 624 ha. Er stand unter der Verwaltung der Försterei Grenzhammer (Oberförster Mikutta). Der Rustikalbesitz umfaßte 312 ha und war in Händen von 20 Bauern, von denen etwa 7 über 10 ha und 13 unter 10 ha besaßen. Die kleineren Bauern hatten vom Gute und von der Forstverwaltung äcker und Wiesen zugepachtet.
In den Wolfsgruben, so hieß ein Teil von Grenzhammer, war ein kleines Dampfsägewerk und einige Bauern. Langjähriger Bürgermeister war Emanuel Piekarek.

Altglashütte mit Fuchszahl ist ein reines Bauerndorf mit eigenem Bürgermeister, Schule, zwei Gasthäusern. Etwa 250 Einwohnern. Bauern über 10 ha fünf, unter 10 ha neun, Ackerland und Wiesen am Starsener Mühlgraben. Altglashütte lag an der Chaussee von Grenzhammer nach Hochweiler (Bahnstation). Der Wald gehörte der Domkirche zu Breslau und wurde von der Försterei Grenzhammer verwaltet. Eine größere Wiese, die zum Rittergut Grenzhammer gehörte, war meist parzellenweise am Glashütter Bauern verpachtet. Das Dorf gehörte zum Amtsbezirk Grenzhammer (3 km).

Wedelsdorf liegt von Grenzhammer in Richtung der Landesgrenze (2,5 km entfernt). Es hatte einen eigenen Bürgermeister und gehörte zum Amtsbezirk Grenzhammer. Die Kinder besuchten zum Teil die Schule in Grenzhammer und zum anderen Teil die Schule in Charlottenthal (3 km entfernt). Das Dorf bestand aus 20 Bauernstellen. Die meisten besaßen unter 10 ha. Ein Gasthaus war im Dorf. Acker und Wiesen wie in Grenzhammer gut bis mittel. Einige Bauern hatten von Grenzhammer und von Graf von Reichenbach-Goschütz Land gepachtet. Das Dorf Charlottenthal wurde im Jahre 1756 (ein Jahr vor Amalienthal) von Graf Heinrich Leopold von Reichenbach-Goschütz gegründet. Es erhielt seinen Namen nach der Tochter des Grafen. Die Gründung dieses Dorfes fällt also in die Regierungszeit Friedrich des Großen bzw. zu Beginn des Siebenjährigen Krieges. (1756 bis 1763).
Damals umfaßte das Dorf 20 sogenannte Freistellen, die diese Bezeichnung bis in die Zeit der Umwandlung in Erbhöfe behielten. Durch spätere Ackerzukäufe und Siedlungsverfahren vergrößerte sich das Dorf und umfaßte 1939 eine Fläche von 632,60 ha. Das Dorf hatte 164 Einwohner (1945).
Es waren 27 landwirtschaftliche Betriebe und zwar:
7 mit 5 ha und darüber
15 mit 10 ha und darüber
5 Nebenbetriebe.

Im Dorfe, das einen eigenen Bürgermeister hatte und zum Amtsbezirk Goschütz gehörte, war
1 Gastwirtschaft mit Kolonialwarengeschäft
1 Kolonialwarengeschäft
1 Schmiede, die dem Schmiedemeister Kupke gehörte der ein sehr gesuchter Pferdebeschlagschmied war (er war auch längere Zeit Bürgermeister).
1 Schuhmacher.
Abb. 118
Flächenanteil der Besitzgrößen Grafik Dr. Wieland


Das Rittergut Charlottenthal gehörte zur Freien Standesherrschaft Goschütz (Graf von Reichenbach). Es umfaßte 213,33 ha und war zuletzt fast ganz an Bauern von Charlottenthal und Amalienthal parzellenweise verpachtet. Die dazu gehörigen Teiche wurden von der Försterei Wildheide verwaltet. Wald- und Teicharbeiter wohnten in den Gebäuden des Gutes. Der Teichwärter betreute folgende Teiche: Großer und Kleiner Grabekteich, Neuteich, Heinrichteich, Schmalteich, Charlottenteich, Waldteich, Großer und Kleiner Amalienteich, Sakrauer Teich, Großer und Kleiner Drosselgrundteich, Auenteich, Aspenteich und Sonnenteich. Die Teiche und das Waldgebiet des Grafen von Reichenbach lagen nördlich von Goschütz zwischen den Dörfern Goschütz-Neudorf, Sakrau, Drosselgrund, Grabek, Wedelsdorf, Wildhorst (Poremben), Charlottenthal und Amalienthal. Das ganze Gebiet stand unter der Verwaltung der Försterei Wildheide (Bendschine). Langjähriger Förster war Fritz Richter, dessen Vater schon als Förster dort tätig war. Der Vater Richter ist nach dem Ersten Weltkrieg bei einer Heimfahrt von Charlottenthal im Walde erschossen worden. Fritz Richter (Sohn) ist in der Gegend von Hersfeld während einer Hubertusjagd auf dem Gange von einem Trieb zum anderen an einem Herzversagen gestorben (etwa 1959) - ein Waidmannstod!
In den Teichen wurden fast ausschließlich Karpfen gehalten. Die Hälter, in die die Karpfen nach dem Abfischen der Teiche (Ende Oktober/November) gebracht wurden, befanden sich in Goschütz, von wo aus sie in der Hauptsache zu Weihnachten und Silvester dem Verbraucher zugeführt wurden. Es war ein Brauch in der schlesischen Heimat, daß in den Familien am heiligen Abend oder zu Silvester Karpfen gegessen wurden, nach spezieller schlesischer Zubereitung. Die Kochrezepte waren seit Generationen vererbt worden. In Charlottenthal gab es eine Schule in die auch die Kinder von Wedelsdorf gingen.

Impressum / Rolf's Email / Rolf's Homepage / Kreis Groß Wartenberg / Buch Inhalt