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Windmühlen bei Klenowe
(später Hirschrode)
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Das Mühlengewerbe im Kreise Groß Wartenberg
Von Heinrich Hahn
Kein Gewerbezweig war seit Jahrhunderten von der Romantik so umwoben wie
das Müllergewerbe. Seit Jahrhunderten brauchte der Mensch Mühlen um Korn
zu mahlen und damit seine Ernährung zu sichern, und seit Jahrhunderten
finden wir in aller Welt Mühlen. Von den primitivsten Anfängen der
Menschheit, als der Mensch vom Jäger zum Ackerbauer wurde, haben Mühlen
Getreide gemahlen.
Während im frühen Altertum noch menschliche und
tierische Muskelkraft für den Betrieb von Mühlen Verwendung fand, waren
die ersten durch Naturkräfte getriebenen Mühlen, die Wassermühlen, in
ihrer einfachsten Form bereits im Altertum bekannt.
Urkundlich werden Wassermühlen schon zur Zeit Heinrich des Löwen
erwähnt. Damals war jeder Mühle ein Zwangs- oder Bannrecht verliehen,
das die Bewohner eines Bezirks verpflichtete, stets nur in der ihnen
zugewiesenen Mühle mahlen zu lassen. Der Mahlzwang stammt aus der Zeit,
als dem Landesherrn allein das Wasserhoheitsrecht zustand. Der
Landesherr übertrug dieses Regal gegen Entgelt an Städte, Klöster,
Adelige, die ihrerseits wieder an die Pächter entsprechende
Zinsforderungen stellten. Die Pächter mußten eine Reihe von
Verpflichtungen übemehmen. Sie mußten geloben:
1 . den Pachtzins zur
rechten Zeit zu zahlen,
2. dem Verpächter jederzeit gebührenden Gehorsam
zu erweisen,
3. die Mühle stets in gutem Zustand zu halten,
4. kleine
Ausbesserungen auf eigene Kosten durchzuführen, usw.
Der Müller hatte
die Mahlgäste höflich und zuvorkommend zu behandeln. Er sollte niemanden
bevorzugen, sondern stets nach dem Grundsatz handeln: Wer zuerst kommt
mahlt zuerst!
Es erschien notwendig den Müller unter Androhung von
Strafe auf gerechte Behandlung der Mahlgäste zu verpflichten, weil diese
in seine Hand gegeben waren
und ihm infolge des Bannrechts nicht untreu werden konnten. Er mußte
ernstlich versprechen, niemand zu übervorteilen und sich mit dem
vorgeschriebenen "Matten" zu begnügen. Der Matten oder Mahllohn betrug
ein Sechszehntel der Menge des zum Mahlen überbrachten Kornes. Er wurde
mit einer amtlich abgestempelten "Mattschale" gemessen.
Infolge
Ausbildung des landesherrlichen Wasserhoheitsrechtes stand den Fürsten
und nach ihnen den mit Mühlen belehnten Stellen auch ein Mühlenregal zu
an allen schiffbaren Flüssen d. h. das Recht auf alleinige Ausübung der
Müllerei.
Das Mühlenregal hatte natürlich lange Zeit hemmend auf die
Entwickelung der Betriebe eingewirkt. Manche einengenden Vorschriften
und Rechte der Grundherren wurden bereits bei Beginn des 19.
Jahrhunderts beseitigt, soweit es sich nicht um rein persönliche
Verpflichtungen handelte. Ihre endgültige Erledigung fanden sie 1869 mit
der Einführung der unbeschränkten Gewerbefreiheit.
In großen Zügen war
die Entwickelung dieses Gewerbezweiges genau so in unserem Heimatkreis
Groß Wartenberg. Auch hier gab es seit dem frühen Mittelalter Wind- und
Wassermühlen und in alten Chroniken konnte man lesen, daß die Anfänge
dieser oder jener Mühle bis ins 11. und 12. Jahrhundert zurückgingen.
Statistiken stellen nüchtern fest, daß es in unserem Heimatkreis in den
Orten: Groß Wartenberg, Festenberg, Neumittelwalde, Buchenhain,
Dalbersdorf, Distelwitz, Goschütz, Kunzendorf, Klein-Schönwald und
Nieder-Stradam Mehlmühlen gab, die meistens nach ihrer Größe und
Leistungsfähigkeit nur örtliche Bedeutung hatten.
Da unser Heimatkreis
ein rein landwirtschaftliches Gebiet war, und die Industrie in ihn bis
1945 noch keinen Eingang gefunden hatte, war die Struktur der meisten
Mühlen nur auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft abgestellt. Es wurde
Futtergetreide geschrotet und in der Lohn- und Umtauschmüllerei für
Bauern, Deputanten und andere Selbstversorger Getreide zu Mehl
vermahler. Die kleinen Mühlen betrieben nebenbei noch eine
Landwirtschaft. Ihr Anteil an der Handelsmüllerei war sehr gering. Sie
waren in ihrer Existenz davon nicht abhängig. Entsprechend dieser
Tatsache war die Leistungsfähigkeit dieser Mühlen gering und lag meistens bei 1 bis 3
Tonnen Getreide täglicher Vermahlung. Bei diesen Mühlen handelte es sich
um einen mit der Landwirtschaft eng verbundenen Gewerbezweig, der ohne
eine Konkurrenz zu fürchten seine Existenz der Tatsache verdankte, daß
in der Lohn- und Umtauschmüllerei durch einen niedrigen Mahllohn von
1,25 Mark bei Roggen und 1,80 Mark bei Weizen die anspruchslose
Landbevölkerung mit dem notwendigen Mehl versorgt wurde. Diese Mühlen
waren auch krisenfest, weil das Mehl so verbraucht wurde, wie es die
Mühleneinrichtungen lieferten, ohne daß überspitzte Forderungen an
Helligkeit, Backfähigkeit und allgemeine Güte gestellt wurden. Auch
waren die Mühlen in unserem Heimatkreis in der Lage die gesamte
Kreisbevölkerung mit Mehl zu versorgen.
Herr Hartmann war in Kunzendorf
ein guter Fachmann und betrieb neben der Mühle noch eine Landwirtschaft,
so daß der Betrieb gut fundiert war. Neben der Lohn- und
Umtauschmüllerei wurde in geringem Umfang auch Handelsmüllerei
betrieben, wobei das Mehl auch waggonweise an die bekannte Breslauer
Mehlgroßhandlung Paul Roth, Breslau Tauentzienplatz, geliefert wurde. -
Die Mühle in Groß Wartenberg wurde in einem völlig verwahrlosten Zustand
im Jahre 1926 von dem Mühlenkaufmann Adolf Hahn gekauft und 1928 mit
einem Kostenaufwand von fast 200 000,- Mark umgebaut, modernisiert und
in ihrer Leistungsfähigkeit verdoppelt. Dank der umsichtigen
Geschäftsführung arbeitete die Mühle von 1928 bis 1942 mit stets
steigender Vermahlungsmenge, so daß die Handelsmüllerei immer mehr in
den Vordergrund trat und die Lohn- und Umtauschmüllerei in den letzten
Jahren nur noch 10 % der Gesamtvermahlung ausmachte.
Während in den
ersten Jahren die beiden Breslauer Mehlgroßhandlungen Gustav Wagner und
Paul Roth beliefert wurden, wurden in den letzten Jahren vor dem Kriege
nicht nur viele Bäckereien in Groß Wartenberg, Neumittelwalde,
Festenberg, Oels und Breslau beliefert, sondern auch noch eine
Brotfabrik in Chemnitz und in Wanne-Eickel.
In den Jahren ihres
Bestehens hat die Mühle in Groß Wartenberg in den Jahren 1939 bis 1942
die Höchstvermahlungen mit monatlich 250 Tonnen erreicht. Der Strombezug
vom EW-Schlesien aus Kraftborn belief in
den letzten Jahren auf über 200 000 kWh jährlich. Auch wurde das
zunächst sehr gering ausgefallene Mühlenkontingent nach 1934 zweimal
erhöht.
Wenn man berücksichtigt, daß die Mühle in Groß Wartenberg als
Handelsmühle in einem Konkurrenzkampf mit den beiden Spitzenmühlen,
"Große Mühle Oels" (der modernsten in Deutschland) und den Schlesischen
Mühlenwerken in Breslau lag, so muß man feststellen, daß es der Mühle
gelungen ist, sich einen guten Kundenstamm aufzubauen. Wenn man weiter
weiß, daß es im schlesischen Mühlengewerbe 2 260 Mühlen mit 6 700
Beschäftigten gab, die über den tatsächlichen Bedarf Mehl herstellen
konnten, so wird man die Tatsache, daß es bei dieser Lage in Groß
Wartenberg gelang immer mehr und mehr Getreide zu vermahlen, würdigen
können.
Die Kontingentierung der Getreidemühlen durch den
Reichsnährstand im Jahre 1934 brachte viele Betriebe in schwere
wirtschaftliche Bedrängnis. Die meisten Mühlen durften nur noch 33 %
ihrer Leistungsfähigkeit ausnutzen und waren an monatliche
Vermahlungsquoten gebunden. Die Lohn- und Umtauschmüllerei wurde in die
Kontingentierung mit einbezogen. Dies war für die Mühlen in unserem
Heimatkreis besonders nachteilig, weil der Kreis ohnehin durch die
Grenzziehung im Jahre 1919 wirtschaftlich schwer geschädigt war. Hinzu
kam noch 1937 eine allgemeine Lagerpflicht für Mühlen, die nunmehr
Getreide einer 2-monatlichen Vermahlung ständig auf Lager halten mußten.
Diese Vorschrift wurde zwar später gemildert und für Mühlen bis 700
Tonnen Jahreskontingent fallen gelassen, aber es war doch allgemein eine
große wirtschaftliche Belastung, die für die Mühlen kaum tragbar war.
Hinzu kam noch eine von Jahr zu Jahr steigende Konkurrenz der Mühlen aus
unseren Nachbarkreisen. Außerdem zwang eine steil ansteigende technische
Entwickelung und das hektische Verlangen der Hausfrauen nach immer
hellerem Mehl die Mühlen zur technischen Modernisierung.
Während des
Zweiten Weltkrieges 1939-1945 wurde der Verbrauch von Mehl durch die
Lebensmittelrationierung geregelt. - Manche Mühle mußte die Vermahlung
einstellen oder einschränken. Und als der Sturm aus dem Osten Anfang
1945 über unsere Heimat brauste, kamen die Räderwerke der Mühlen zum
Stillstand.
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