Die Bäckerinnung Groß Wartenberg

Von Hermann Jacob +

Wie jeder Handwerkerstand hatten auch die Bäcker frühzeitig eine eigene Innung. Leider ist mir nicht mehr die Gründungszeit bekannt. Ich weiß nur, daß in der Innungslade unter vielen anderen Aufzeichnungen eine Rechnung über die Reparatur des Schlosses der beim Stadtbrand vernichteten alten Lade lag, über soundsoviel Taler und Silbergroschen. Das Schloß, das in der neuen Lade wieder eingebaut wurde, war eine recht kunstvolle Handschmiedearbeit mit zwei etwa zwölf Zentimeter langen Schlüsseln.
Ich kann mich erinnern, daß der Namenszug meines Großvaters, Eduard Jacob, der die Bäckerei von 1840 bis 1872 führte, mehrmals in dem sehr umfangreichen Protokollbuch erschienen ist. Um diese Zeit war ein Bäckermeister Mache Obermeister. Er hatte seine Bäckerei in dem zuletzt von Hugo Heinschild erworbenen Haus. Wahrscheinlich gleich nachher war mein Vater, Karl Jacob, Obermeister, nachdem er schon vorher Schriftführer war. Um diese Zeit gehörten der Innung noch an Bäckermeister Waltenberg und Paul Kuntsche, beide Kempner Straße, Schur am Ring, Woitenas (zuletzt Häusler), Louis Gigas, Friedrich (Heinschild) und andere.
Als ich im Jahre 1892 "frei" gesprochen wurde, war Karl Spiller Obermeister. Er hatte seine Bäckerei im Haus von Hermann Walter (Kunert Nachfolger). Zu so einer Lehrlingsfreisprechung wurde die Innungsversammlung einberufen. Dem jungen Gesellen wurde in feierlicher Form vom Obermeister der Gesellenbrief und eine Urkunde vom Germania-Verband der Deutschen Bäckerinnungen überreicht.

Vermutlich war Friedrich der Nachfolger von Karl Spiller. Nachher war Max Hoffmann bis etwa 1925 Obermeister, der dann später auf mein Betreiben zum Ehrenobermeister ernannt wurde. Dann übernahm Franz Ruby dieses Amt für einige Jahre. Der Innung gehörten etwa 20 Mitglieder an, die ihre Betriebe außer in Groß Wartenberg noch in den umliegenden Dörfern hatten, so in Bralin, Türkwitz, Schollendorf, Stradam, Kunzendorf, Rudelsdorf.
Nach vielen Jahren einer aufwärtsstrebenden Entwicklung, brachte der Erste Weltkrieg bei den Mitgliedern der Innung erhebliche Schwierigkeiten; viele Meister waren eingezogen und die Ehefrauen mußten mit vorher nie gekannten großen Schwierigkeiten kämpfen. Erinnert sei nur an die Knappheit und Rationierung von Mehl und den dadurch bedingten Zusatz von Kartoffeln zur Brotbäckerei.
Nach dem Krieg brachte die Abtrennung eines Teils des Kreises an Polen und die nachfolgende Inflation einen schweren wirtschaftlichen Niedergang. Viele Betriebe konnten sich dann nur durch äußerste Sparsamkeit aufrecht erhalten. Erst spät war es einigen Betrieben möglich, sich die Vorteile elektrischer Maschinen nutzbar zu machen. Als dann im Jahre 1939 durch den Zweiten Weltkrieg das alte Kreisgebiet wieder zurückkam, brachte es doch nicht mehr die wiltschaftliche Blüte, wie sie vor 1914 alle handwerklichen Betriebe in unserer Stadt erlebten.
Ich selbst war bis 1935 Obermeister, der letzte der "freien" Innung; denn der Nachfolger, Matzke, wurde vom Kreishandwerksmeister ernannt.

Die Zusammenarbeit mit den Obermeistern und allen für das Handwerk des Kreises Groß Wartenberg ehrenamtlich Tätigen war ersprießlich. Der alte Handwerksgruß "Gott segne das ehrbare Handwerk" gewann auch in dieser schweren Zeit wieder an Bedeutung!

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