Neumittelwalde

Von Karl-Heinz Eisert

Abb. S133

Wer die Geschichte des Kreises Groß Wartenberg schreiben will, darf nicht vergessen, daß es durch Jahrhunderte hindurch die Geschichte eines Ringens und endlichen Behauptens des deutschen Elements in jenen östlichen Teilen Schlesiens gewesen ist; darf auch nicht vergessen, daß sich dort vieles gemischt und verbunden hat, daß es ein Landstrich war, in dem durch Zweisprachigkeit die Grenzen verzerrt und verschoben waren, und daß sich diese Situation im Jahre 1920 durch die Grenzregelungen mit dem nach dem Ersten Weltkrieg neu erstandenen polnischen Staat bereits einmal zu unserem Nachteil auswirkte. Heute jedoch ist es der kommunistische polnische Staat, der sich zur Sicherung seines
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Neumittelwalde, Kraschner Straße, linke Straßenseite Mitte das "Alte Gericht", rechte Seite das Rathaus, früher gräfl. von Reichenbachsches Schloß
Gebietszuwachses aus dem Zweiten Weltkrieg derselben Argumente bedient; nur daß man heute diese "angebliche polnische Vergangenheit" auf ganz Schlesien ausdehnt. Zwar gab es die Verschiedenheit der Völker natürlich auch früher, nur wurde der Gegensatz 1636, 1730, 1763, 1812, 1848 sicher noch nicht so sehr als "national" in unserem Sinne motiviert. Und doch erzählen alte - noch nicht von einem national-großpolnischen Denken beeinflußte Quellen immer wieder von der deutschen Vergangenheit und dem damit verbundenem Aufblühen des Landes und der Städte und Dörfer. überall wurden Städte zu "Deutschem Recht" ausgesetzt. Innungen und Zechen und alte Gilden - also der heutige Mittelstand, das Handwerk usw. - haben deutschen Ursprung und sind immer wieder die Träger des Fortschritts und der Kultur im langen Zeitraum der Geschichte.
So erhielt auch Neumittelwalde - bis 1886 hieß es Medzibor - am 6. Mai 1637 durch Herzog Heinrich Wenzel das deutsche Stadtrecht. über die "Entwicklung von Neumittelwalde" hat Prof. Dr. Herbert Schlenger (+ 3.12.1968) in einer Neubearbeitung der Festschrift zur Dreihundertjahrfeier der Stadtgründung von Neumittelwalde aus dem Jahre 1937 alles Quellenmaterial durchforscht und mit dieser kleinen Schrift den Neumittelwaldern ein ganz spezielles Erinnerungsbüchlein geschenkt.
Eine gute Quelle ist auch heute noch immer die Franzkowskische "Geschichte der freien Standesherrschaft, der Stadt und des landräthlichen Kreises Groß Wartenberg". Dort lesen wir über die Stadtverwaltung: "Der Magistrat bzw. das Ratskollegium wurde ehemals vom Herzog als dem Grundherrn ernannt und bestand anfänglich aus vier, seit Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Einführung der Städteordnung aber nur aus drei Mitgliedern. Seit Einführung der Städteordnung besteht der Magistrat aus fünf, die Stadtverordnetenversammlung aus zwölf Mitgliedern."
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Freiwillige Feuerwehr Neumittelwalde, Weihnachtsfeier 1932

Franzkowski nennt als Bürgermeister seit Einführung der Städteordnung: Johann Gottlieb Hauser, Karl Gottlieb Polle, Joseph Just, Friedrich Gardemin, Karl Bauschke, Wilhelm Schottky, Johann Karl Christian Feierabend, Alexander Schottky, Wilhelm Dittrich (kommissarisch) bis 1853, Wilhelm Köhler 1853-1871, Gustav Hertzsch 1871-1874, Wilhelm Dittrich vom 29. Januar 1875 bis in die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg (er war zugleich Polizeiverwalter, Standesbeamter und Amtsanwalt). Wir können Franzkowskis Liste noch weiterführen mit den Bürgermeistern Neumann und Jäschke, der in schwerer Zeit als Bürgermeister aus Berlin nach Neumittelwalde kam; er war der letzte Bürgermeister vor 1933. Das Dritte Reich brachte Neumittelwalde den als Ortsgruppenleiter streng auf die Partei ausgerichteten Georg Ullrich als Bürgermeister. Nach dessen Wegzug (er nahm in Breslau eine Parteistelle ein), wurde der aus dem Ersten Weltkrieg schwerbeschädigte Gutsbeamte Gustav Hoffmann Bürgermeister. In den dazwischenliegenden Zeiten wachten über das Wohl der Stadt vertretungsweise Beigeordnete oder Magistratsmitglieder. So war zeitweise Tierarzt Dr. Barbarino und Bäckermeister Hugo Lachmann u. a. mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Bürgermeisters betraut.
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"Kulturkonferenz " im Pastorenhaus von li: H. Reimnitz, Wilhelm Menzel (Menzel- Willem), Frl. Wennrich, Frau H. König, Pastor H.-J. König mit dem Schäferhund "Asta". Ende der 20er Jahre.

Das Stadtsiegel zeigte als Wappenbild eine ausgerissene Tanne mit Wurzel und einem über den Stamm gelegten Andreaskreuz. Es führte die Umschrift "Sigillum civitat. Medziborensis", seither heißt die Umschrift ;"Stadt Neumittelwalde". (Siehe Abb.)
Als ältesten Verein gab es vor dem Ersten Weltkrieg die Schützengilde. Sie bestand seit 1643. Es folgten (dem Alter, nach) der Landwehrverein, gegründet am 13. Januar 1867; der Lehrerverein, gegründet am 8. August 1874; der Armenverein (15. Oktober 1876); der Gesang- und Musikverein (13.4.1891); der Turnverein (9. August 1895); der Darlehnskassenverein (26. Februar 1896); der Gesangverein "Kirchenchor" (1.2.1901); den Ortsverein Neumittelwalde im Deutschen Verein des Blauen Kreuzes (29.2.1908); den Evangelischen Jungfrauenverein (1.9.1909); den Katholischen Volksverein (13.11.1910 gegründet durch Pfarrer Pitynek).
Nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Liste der Vereine um einige erweitert werden, während ein Teil der alten Vereine ein Schattendasein führte und nur dem Namen nach noch bestand. Es kamen als Neugründungen dazu: der Männergesangverein, er wurde unter Leitung von Kantor Karl Eisert (1946 +) bedeutender Kulturträger der Stadt; die Freiwillige Feuerwehr, von deren Weihnachtsfeier aus dem Jahre 1932 noch ein nettes Foto vorhanden ist. Auch der Volksbildungsverein wurde in den zwanziger Jahren gegründet. Er war wirklich segensreich auf kulturellem Gebiet tätig und eine ganze Reihe schöner Aufführungen berühmter Bühnenstücke durch das Schlesische Landestheater im Weißschen Saale ist ihm zu verdanken; außerdem bemühte er sich in den Wintermonaten mit guten Lichtbildervorträgen und Vortragsabenden durch namhafte Kräfte schlesischer Universitäten und Institute um eine wahre Volksbildung. Vergessen sei nicht der kleine evangelische Christliche Verein Junger Männer (CVJM), den Pastor König ins Leben rief, der mit Laienspielen und kirchlichen Feierstunden in der evangelischen Kirche und mit seinem Posaunenchor aus dem Leben der Evangelischen Gemeinde nicht wegzudenken war. In diesem Zusammenhang sei auch an das Turmblasen an den kirchlichen Feiertagen und besonders auch in der Silvesternacht zur Begrüßung des neuen Jahres erinnert. Doch gehört dieser Brauch
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Schützenfest in Neumittelwalde, Antreten der Gilde auf dem Ring. (20er Jahre)
Abb. .- . mit zur Geschichte von Neumittelwalde und war schon früher üblich. Wenn er auch vorübergehend einige Jahre einschlief, so führten doch immer wieder Musiker und Musikerfamilien, wie die Wegehaupts und Spillers, und später der Posaunenchor diese alte schöne Sitte weiter. Unter den Vereinen ist auch noch besonders der Obst- und Weinbergsverein zu erwähnen. Er hat für die vielen Garten- und Weinbergsbesitzer und für Neumittelwalde als Obstbaugebiet gute Arbeit geleistet, wobei er in Gerhard Simon, als erstem geprüftem Baumwart eine gute Hilfe und Stütze fand. Zum Schluß dieses Vereinsregisters noch etwas über den ältesten Verein der Stadt Neumittelwalde, wir folgen dabei den Ausführungen die
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Ausmarsch der Schützengilde und der befreundeten Vereine zum Schützenfest im Jahre 1932.
Franzkowski auf Seite 337 seiner "Geschichte der freien Standesherrschaft . . ." aufgezeichnet hat: Die Schützen-Gilde bestand seit 1643. Im Stadtarchiv in Neumittelwalde existierte ein Original-Pergament aus dem Jahre 1644 mit der durch Herzog Karl Friedrich erteilten Schützenordnung. Anläßlich der Feier des 50jährigen Bestehens beehrte der Herzog die Gilde durch Verleihung einer silbernen Kapsel an silberner Kette. Besonders festlich wurde das 150jährige Bestehen am 28. August 1793 begangen, am dem der Herzog Friedrich August selbst teilnahm, oder wie Franzkowski schreibt, "das Herzog Friedrich August durch seine Gegenwart auszeichnete". Zur Erinnerung an diesen Tag schenkte er der Gilde,seinen silbernen Stern, mit seinem Bild und einer Widmung. Der damalige Schützenkönig, der
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Uniformierte und "Schwarze Schützen" beim Frühschoppen im Schützenhausgarten
Herzogliche Oberamtmann Adamy, widmete zum Andenken ein silbernes Ehrenschild. "Zur Erinnerung an die beim Schützenfest 1861 für Seine Majestät König Wilhelm I. erschossene Königswürde erhielt die Gilde als Allerhöchste Auszeichnung eine große silberne Medaille," so berichtet wieder wörtlich zitiert, Franzkowski. Die Medaille trägt auf der Vorderseite (im Avers) ein Bildnis des Königs, die Rückseite (Revers) trägt die Inschrift "Königsschuß vom 12. August 1861 durch Benjamin Dreßler". Diese Medaille und der 1793 verliehene Stern waren zusammen mit seltenen Silbermünzen zum Königsschmuck, zur Königskette vereinigt, die der jeweilige Schützenkönig trug. Die Insignien der Gilde sind erhalten geblieben und befinden sich im Heimatmuseurn der Stadt Rinteln an der Weser, dem Sitz des Patenkreises der Groß Wartenberger.
.Der Schützengilde gehörte ein Schützenhaus und
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Historisches Gasthaus "Zum Schwarzen Bären"
Schützengarten mit Schießstand am Ausgang der Stadt in Richtung Groß Wartenberg. Er war mehr als 36 Ar groß und wurde in den letzten Jahren noch durch Zukauf von angrenzendem Gelände beträchtlich erweitert. 1884 wurde König Albert von Sachsen Besitzer der Herrschaft Neumittelwalde. Aus diesem Anlaß erhielt die Gilde von ihm ein Gnadengeschenk von 1200 Mark und baute dafür das erwähnte Schützenhaus. Am 27. Januar 1910 (Kaiser Geburtstag, Wilhelm II.) "wurde die neu angeschaffte Schützenfahne zum erstenmal beim feierlichen Kirchgang der Gilde vorangetragen". Die Gilde zählte im Jahre 1911 56 Mitglieder, von denen die Hälfte uninformiert war. 20 Wochenschießen mußten statutenmäßig abgehalten werden. Das Königschießen wurde alljährlich im letzten Drittel des Juli abgehalten.

Die kirchlichen Verhältnisse

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Neumittelwalde. Ev. Kirche "Zum heiligen Kreuz" Pfarramt I, alte Volksschule, die in den 30er Jahren eine Abteilung des Reichsarbeitsdienstes aufnahm. (Oberstfeldmeister Klose war Lagerführer).
Mit dem Datum vom 14. Januar 1376 gibt eine Urkunde, welche die "plebanus ecclesia in Meczobor" erwähnt, die erste Nachricht über eine Pfarrkirche in Neumittelwalde.
Die Olsnographia des Sinapius berichtet aus dem Jahre 1481 von einem Neubau der auf einer Anhöhe stehenden Kirche durch Melchior vom Rohr, dem Besitzer von Medzibor. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Kirche protestantisch und ist es bis in die Neuzeit hinein geblieben. Franzkowski erwähnt in seiner "Chronik", daß die Meinung vertreten wurde, es haben neben dem evangelischen Pfarrer bis 1607 zugleich noch ein katholischer Pfarrer an der Kirche amtiert. Dies sei aber eine durch nichts bewiesene Annahme. Zwar soll die Kirche noch 1555 katholisch gewesen sein, aber dann mußten 300 Jahre vergehen, bis wieder eine katholische Seelsorgestelle in Neumittelwalde errichtet werden konnte.
Die Einführung der Reformation erfolgte, wie überall in der Herrschaft, auch hier um 1560. Erster lutherischer Pfarrer ist mit Sicherheit Georg Kukla gewesen.
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Orgelchor der ev. Kirche. Links vom Spieltisch der Orgel Kantor Eisert, rechts Hauptlehrer Barth.

Die Eigentümlichkeit der zwei selbständigen Pfarrämter an der Neumittelwalder Kirche geht bis in diese frühe Zeit zurück. Schon 1607 wurde dem Pastor ein Diakon zur Seite gegeben, da die zahlreichen zur Kirche gehörenden Gemeinden von einem Geistlichen nicht allein betreut werden konnten und das in diesen Gemeinden starke wasserpolnische Idiom einen Geistlichen erforderte, der den Gottesdienst auch in dieser Sprache halten konnte. Der gemeinschaftliche Gebrauch der einzigen Kirche führte natürlich zu Reibungen, und so hat man das Diakonat in ein zweites selbständiges Pfarramt umgewandelt. J. E. W. Vieweg berichtet in seiner "Schulchronik" daß dies schon 1624 geschehen sei. Franzkowski nimmt in seiner "Geschichte der freien Standesherrschaft . . ." (kurz mit Chronik bezeichnet) an, daß die Einrichtung des zweiten Pfarramts erst nach 1633 geschehen sein müsse. Als Beweis führt er die Kirchenordnung, die Herzog Heinrich Wenzel von Münsterberg-Oels als Landesherr und Kirchenpatron am 18. November 1633 erließ, an, welche auch die Unterschriften der beiden Geistlichen trug. Andreas Peusertus unterzeichnete als "Pastor" und Johannes Cretius als "Diaconus". In der Kirchenordnung ist auch nirgends von zwei Pastoraten die Rede. Das Original dieser Kirchenordnung, mit Unterschriften und 15 beigedrückten Siegeln einst im Königl. Staats-Archiv aufbewahrt, enthielt Bestimmungen über den Gottesdienst, die kirchlichen Fürbitten, über die Gebühren von Begräbnissen, Trauungen und Taufen, über die Deputatlieferungen, die Abführung des Zehnten und des Tischgroschens.
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Blick vom Kirchturm auf die Häuser am Ring. Rechts neben Max Werner, das Gebäude der früheren kath. Schule und Kirche. Später Bäckerei und Cafe Eitner.

Schon 1607 war die Herrschaft Medzibor dem unter einem protestantischen Fürstenhause stehenden Herzogtum Oels einverleibt worden, so blieb auch nach dem Westfälischen Frieden die Pfarrkirche zu Medzibor dem neuen protestantischen Glauben erhalten. Während der schrecklichen Pestzeit mußte jeglicher Gottesdienst unterbleiben; die deutsche Gemeinde feierte den Weihnachtsgottesdienst im Pestjahr 1710/11 auf dem Marktplatz in Neumittelwalde. 1719 wurde am 29. Juni in Gegenwart der Herzogin und ihres Sohnes der Grundstein zu einer größeren massiven Kirche gelegt, da die vorherige hölzerne Kirche baufällig und unzureichend geworden war. Der Bau war bereits ein Jahr später fertiggestellt, die Einweihung erfolgte aber erst am 28. Oktober 1725. Die in Kreuzform gebaute Kirche erhielt den Namen "Zum heiligen Kreuz". 1748 und 1798 trafen die Kirche Blitzschläge, ohne jedoch nennenswerten Schaden anzurichten. Im Jahre 1802 wurde der um die Kirche gelegene Friedhof eingezogen, seine Umfassungsmauer abgetragen, und der Boden eingeebnet; nur ein Rest der Mauer blieb auf der Westseite des Kirchplatzes stehen.
Der außerhalb der Stadt neu angelegte Begräbnisplatz mußte schon 1831 auf der östlichen Seite bedeutend erweitert werden. Am 2. Mai 1836 brannten infolge eines Blitzschlages trotz aller Löschhilfe Turm und Kirche völlig aus. Fast zwei Jahre diente ein an der Nordseite der Stadt gelegenes herzogliches Magazin als Notkirche, bis am 26. März 1838 der Anfang gemacht wurde zur Wiederherstellung des Gotteshauses. Die Bauausführung war Baumeister Lehmann aus Oels übertragen worden, und am 24. August des Jahres 1838, also noch im Jahre des Baubeginns, konnte bereits der Turmknopf aufgesetzt werden. Am 13. Dezember 1839 war der Bau beendet und mit der Kirchweihe wurde die Wiederherstellung abgeschlossen.
Die Kirchenuhr war ein Geschenk des Herzogs und stammte aus dessen Jagdschloß zu Wilhelminenort. Zur Pfarrkirche in Neumittelwalde gehörten damals 34 Gemeinden. Im Jahre 1901 wurde die Parochie Suschen errichtet, an die einige Gemeinden abgetrennt wurden. Es verblieben aber immer noch 27 Gemeinden bei der Kirche, bis durch den Versailler Friedensvertrag nach dem Ersten Weltkrieg erneut der Kirchenbezirk eine Verkleinerung erfuhr. Jeder der beiden Pastoren hatte sein eigenes Pfarrhaus mit den Wirtschaftsgebäuden, wozu auch eine Scheune gehörte; denn die Einnahmen des Pfarrers bestanden auch aus Nutzungen des Kirchenackers und Waldes. Sofern der Pfarrer es nicht vorzog den Acker zu verpachten, konnte er auch selber das Land bewirtschaften.

Franzkowski führt in seiner Chronik ein Verzeichnis der Geistlichen an. Er dürfte sich wohl im wesentlichen auf die Viewegschen Angaben stützen. Das Verzeichnis beginnt mit Georg Kukla (1581), dann folgt Johann Grun bis 1607 und bis 1624 Daniel Milich, ein geborener Wartenberger. Hier beginnt die Teilung in eine deutsche Gemeinde und eine sogenannte polnische Gemeinde. Die Geistlichen der ersteren Gemeinde sind


Georg Wellich [bis 1630]
Andreas Peusertus [bis 1662]
M. Johann Wagner [bis 1670]
M.August Pfeiffer [bis 1673]
Johann Ernst König [bis 1686]
Christian Tschirbock [bis 1697]
Karl Friedrich Zegla (ein geborener Wartenberger) [bis 1700]
Johann Deutschmann [bis 1704]
M. Gottfried Gottschüng [von 1704 b. 1752] (Er stand im Rufe eines sehr frommen Predigers und hat sich auch als geistlicher Liederdichter einen Namen gemacht. Er starb im Alter von 72 1/2 Jahren. Wenn er noch 5/4 Jahr gelebt, hätte er sein goldenes Amtsjubiläum feiern können.)
M. Christoph Klärner [bis 1773]
Christian Samuel Peuker [bis 1811]
Christian Samuel Dirlam [bis 1844]. Er war 13 Jahre Pastor in Peuke und 32 Jahre in Medzibor, er starb 72 Jahre alt, im Jahr 1844.
Adolf Eduard Willibald Jäschke [bis 1851]
Karl Ludwig Appenroth [ab 1852 bis 1874]. Er wurde mit der vorläufigen [ 1871 ] und später [1873] endgültigen Verwaltung der neu errichteten Superintendentur Groß Wartenberg betraut und starb am 20. Mai 1874.
Alexander Gärtner [bis 1880]
Hugo Lorenz [bis 1909], geboren 26. Juli 1841 in Neumarkt, von 1872 bis 1876 Rektor in Steinau, bis 1878 in Witzenhausen, am 9. April 1878 ordiniert, danach Pfarrer in Nazza (Gotha) bis 1880 hierauf Pastor in Habelschwerdt, seit 1. Juli 1881 in Neumittelwalde, trat Ende März 1909 allgemein geehrt in Ruhestand. Er war mit dem Roten Adler-Orden IV. Klasse ausgezeichnet und verbrachte seinen Ruhestand in Breslau.)
Karl Jansen [ab 1909] (Pastorssohn, geboren am 14. Februar 1881 in Bielawe, Kreis Freystadt in Schlesien, Gymnasium in Braunschweig, Universität Greifswald, Erlangen und Breslau, ordiniert 3. Oktober 1907 vom 1. August bis Juli 1909 Pfarrvikar in Wildbahn Kreis Militsch, seitdem Pastor in Neumittelwalde.)


Soweit geht Franzkowskis Verzeichnis der deutschen Pastoren. Die Reihe kann fortgeführt werden mit Pastor Leßmann, der etwa bis 1927/28 in Neumittelwalde amtierte, und mit dem in den Jahren nach 1945 in der Vertreibung verstorbenen Pastor Steinhäuser, der die Reihe der Pastoren des Pfarramts I beschloß.
Die Reihe der Seelsorger der "polnischen Gemeinde" führt nach Franzkowskis Chronik der erste Diakonus Johann Cretius an, der 1633 bis 1668 als Pastor genannt wird.
Samuel Cretius, der Sohn des vorigen, folgte dem Vater im Amte bis 1699. Danach ab Neujahr 1700


Balthasar Wayditzer [bis 1718]
Johann Gottfried Cretius [bis 1734]
Georg Sorger [von 1734-1744]
Karl Heinrich Langer [bis 1757]
Traugott Langer, der Bruder des vorigen [bis 1781]
Karl Christian Langer [bis 1783]
Christian Friedrich Hauser (war Rektor und Mittagsprediger in Wartenberg) [bis 1811]
Theodor Wolff [bis 1836]

Abb. 84
Blick vom Kirchturm der ev. Kirche nach Südwesten. Links das Amtsgericht. Bildmitte das Sägewerk Schliwa, ganz rechts der Wasserturm am Bahnhof Neumittelwalde.
Ihm folgt der von den Polen sooft als Vorkämpfer der Polonisierung bezeichnete Alexander Ludwig Robert Fiedler, am 18. März 1810 zu Groß-Tschirnau geboren. Er studierte in Breslau, war Hauslehrer, zuletzt in Warschau, wurde 1836 Pastor in Kaulwitz und trat am 29. April 1838 seinen Dienst in Neumittelwalde an, und verwaltete das Pastorat bis zu seinem Tode am 3. Mai 1877 "rühmlichst", wie sich Franzkowski in seiner Chronik ausdrückt. Er war vielfach literarisch beschäftigt, und es ist bezeichnend für die Toleranz der damaligen Regierung, daß er im Auftrage der Königlich Preußischen Regierung ein "Polnisch-deutsches Sprachbuch für Landschulen" herausgab, das im Jahr 1844 sogar noch eine zweite Auflage erzielte.
Von seinen Veröffentlichungen führt Franzkowski noch an: "Kazania na wszystki swieta roku koscielnego" (Breslau 1844), "Bemerkungen über die Mundart der polnischen Niederschlesier" (1844), Predigten und Aufsätze im "Prophet von Suckow", "Tygodnik literacki" und "Zwiastum wstrzemiezliwosci". Er sammelte aber auch "polnische Volkslieder" in Schlesien.
Sein Grabstein stand im nördlichen Friedhofsteil noch in der letzten Zeit. Gedanken Herders, Gedanken der Romantik mögen diesen Seelenhirten bewegt haben: Volkstum, Volkskunde, Sitte, Brauchtum und Sprache des Volkes traten in seiner Jugend in die Vorstellungswelt der Gebildeten ein. Er fühlte sich glücklich, als er in seiner entlegenen Pfarre auf jene merkwürdige Zwittersprache traf, die man Wasserpolnisch nennt. Hier traf er, an der Grenze zwischen zwei Völkern und Sprachen, eine volkstümliche Besonderheit, die er pflegen wollte.
Abb. 85
Neumittelwalde, Oberring von Schmidt bis David.

Auch andernorts - in der Tschechei, auf dem Balkan - waren damals ja deutsche Geistliche und Gelehrte dabei, fremden Völkern die Eigenart ihrer Kultur bewußt zu machen. Ihr Wirken entsprang einem kulturellen, nicht einem politischen Interesse.

Die politischen Akzente wurden diesen Bemühungen erst im späteren 19. Jahrhundert und vor allem im 20. Jahrhundert aufgesetzt. Pastor Badura, der "polsche Pastor" (in Neumittelwalde) vor dem Ersten Weltkrieg wollte gewiß nicht nur volkstümliche Eigenart pflegen. An seinem Tisch waren konspirierende Polen vornehmer Herkunft oft zu Gaste. Polen, das damals als eigener Staat ja nicht bestand, hielten sie für noch nicht verloren. Dieser Glaube war ihr gutes Recht; auch die Wiedererrichtung Polens (damals) war ein Akt der Gerechtigkeit. Bedauerlicherweise setzte es (Polen) sich schon bei seiner Gründung durch die Usurpation von Gebieten, die ihm nicht zustanden, und danach durch die Unterdrückung der Minderheiten selbst ins Unrecht.

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Innenansicht der ev. Kirche "Zum heiligen Kreuz"
Bedauerlicherweise abermals zeigte der Sieger von 1939 weder mehr Rechtsgefühl noch Edelmut. So wurden die Beziehungen zwischen zwei Völkern durch Staatspolitik vergiftet. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die polnischen Freiheitskämpfer in Deutschland noch begeistert gefeiert; mindestens bis 1848, in großen Gruppen lange darüber hinaus waren Preußen, österreich und Deutschland in Polen vieler Sympathien sicher.

Daß die beiden Völker auch an den Grenzen in Frieden mit- und nebeneinander leben konnten, dafür ist ja gerade das Wasserpolnisch mit seiner Mischung aus deutschen und polnischen Bestandteilen ein Beweis. Dafür ist ein anderer Beweis, daß in Familien mit ganz polnischen Namen das reinste Deutsch gesprochen wurde, während sich oft Familien deutschen Namens sich des Polnischen als Umgangssprache und als Muttersprache bedienten.
Abb. 87
Kantor Karl Eisert an der Orgel

Mit historischen und sprachlichen Argumenten streiten ja die polnische und deutsche Wissenschaft schon lange. Auch da ist leider die interesselose Forschung des 19. Jahrhunderts durch eine Forschung mit sehr spürbaren Interessen verdrängt worden. Das alles heilt kein Unrecht, gleicht nichts aus. Die Wirklichkeit um 1870 sah in Neumittelwalde, das damals noch Medzibor hieß, wohl so aus, daß man auf dem Lande viel polnisch sprach, während die Stadt sich ans Deutsche hielt. 1930 sprach man in Neumittelwalde und seiner Umgebung diesseits der Grenze nur Deutsch.

Auf Pastor Fiedler folgte in den nächsten 5 Jahren bis 1882 Arnold Spenner, ein Lehrersohn aus Pontwitz, als Geistlicher.
Abb. 88
Im Jahre 1910 wurde die Eisenbahnlinie von Oels-Groß-Graben- Neumittelwalde-Adelnau-Ostrowo erbaut. Der erste Zug aus Richtung Oels ist eingelaufen. Blick auf die "Festversammlung".

Als nächster in der Reihe folgt der bereits erwähnte Georg Badura, geboren 4. April 1845 in Drachomischl, ordiniert am 9. Dezember 1868, Vikar Treßdorf (Oberkärnten), Pastor in Krakau, Myslowitz, Diakonus in Groß Wartenberg, Pastor in Laski und seit 1. Juli 1883 in Neumittelwalde. Er trat Ende September 1909 in den Ruhestand und starb zu Neumittelwalde am 2. September 1911. Seine großpolnische Einstellung war bekannt, und auch auf sein Wirken ist es wohl zurückzuführen, daß die mittelschlesischen Gebiete nach dem Ersten Weltkrieg ohne Abstimmung zu Polen kamen. Badura verlangte von allen seinen Besuchern, daß sie in seinem Hause nur polnisch sprechen sollten. Als der damalige junge Kantor Karl Eisert im Jahre 1908 seinen Antrittsbesuch bei Pastor Badura machte, wurde er von Badura begrüßt und darauf aufmerksam gemacht, sich baldigst mit dem Studium der polnischen Sprache zu befassen, denn: "In meinem Hause wird nur polnisch
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Der Gegenzug aus Richtung Ostrowo ist eingetroffen.
gesprochen!" Es dürfte wohl damals das einzige Haus in ganz Neumittelwalde gewesen sein, in dem "nur polnisch" gesprochen wurde. Dennoch hat der Einfluß dieses Geistlichen zu einer Vergiftung des Verhältnisses zwischen den Deutschen und Polen geführt. Im ganzen Kreis Groß Wartenberg bezeichnete sich damals nur ein geringer Anteil von 0,4 Prozent der Bevölkerung tatsächlich als Polen. Die Zweisprachigkeit des Gebiets war bekannt. Darauf ist auch bereits hingewiesen worden, und trotzdem in vielen Dörfern das Wasserpolnisch gesprochen wurde, bekannten sich doch die Bewohner als Deutsche, wie der oft gehörte Ausspruch besagte: "Zunge polnisch - Herz deutsch!" Und sie haben alle ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt, genauso wie jeder andere deutsche Bewohner dieser schlesischen Gebiete es getan hat: Frei und ohne Zwang. Einpeitschern und "Falschen Propheten" blieb es vorbehalten, das Ergebnis einer mehrhundertjährigen Assimilierung
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Neumittelwalde: Der Ring, von der Promenade aus gesehen.
im Sinne ihrer großpolnischen ehrgeizigen Pläne umzufälschen.
Der letzte Stelleninhaber ab 1. November 1909 war Pastor Oskar Kursawe. Geboren am 18. Juli 1883 in Breslau, studierte er in Breslau, Berlin, Halle, war vom 1. Oktober 1908 bis 30. September 1909 zweiter Pfarrvikar in Beuthen OS. und kam am 1. Oktober 1909 als Vikar nach Neumittelwalde.
Das aus diesem Pfarramt nach dem Ersten Weltkrieg gebildete Pfarramt II betreute einige Jahre später Pastor Kuschka, der vorher in Namslau amtierte und später als Jugendpfarrer nach Festenberg versetzt wurde. Nachfolger wurde in den zwanziger Jahren Pastor Hans-Joachim König. Er wurde am 5. Oktober 1900 in Königszelt in Schlesien geboren. Seine Ordination erhielt er am 13. April 1926 durch Generalsuperintendent Zänker in Breslau. Noch im selben Jahr wurde er als junger Pfarrer nach Neumittelwalde berufen. Während des Hitlerreiches trat Pastor König der Bekennenden Kirche bei und übernahm es auch, junge Vikare der Bekennenden Kirche zur Ausbildung aufzunehmen. Bald nach dem Krieg übernahm er ein Pfarramt in Tangermünde/ Altmark und schließlich das Amt des Superintendenten im Kirchenkreis Delitzsch, Bezirk Halle. Er starb am 18. Juni 1967.
Es darf auch nicht vergessen werden, der letzten Pfarrer und Vikare in Neumittelwalde zu gedenken, u. a. Pastor Vogelweider, Pastor Hilbrig, Pastor Beer und wir alle in schwerer Zeit die Kirchengemeindeglieder betreut haben und Anteil nehmen an dem Schicksal ihrer damaligen Gemeindemitglieder der Kirchengemeinde Neumittelwalde.
Abb. 91
Neumittelwalde: Katholische Kirche "St. Josephi" mit Pfarrhaus und Schule und St. Joseph-Stift mit Kindergarten.


Die katholische Kirchengemeinde

Die Geschichte der katholischen Kirchengemeinde begann, wie bereits angedeutet, erst wieder 300 Jahre nach der Reformation, während in der Zwischenzeit keine eigene katholische Kirchengemeinde mehr bestanden hatte.
Am 21. Oktober 1856 erwirbt der Fürstbischöfliche Stuhl für 3200 Reichstaler das Gasthofgrundstück "Zur Sonne". Nachdem das bisherige Gasthaus zu einer gottesdienstlichen Stätte mit einer Wohnung des Geistlichen eingerichtet war, konnte am 14. April, dem 3. Ostertage, die kirchliche Weihe stattfinden. Kuratus Posor verwaltete unter den denkbar schwierigsten Umständen das heilige Amt bis zu seinem Tode (3. Oktober 1890 im Kloster der Barmherzigen Brüder zu Breslau). In 30 Ortschaften unter 10 000 Andersgläubigen wohnten nur 800 Katholiken in Entfernungen bis zu 15 Kilometern, mit nur einer katholischen Schule und Kirche. Es war jenes Haus am Ring, das später in den Besitz von Bäckermeister Eitner überging, von dem neuen Besitzer abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wurde, mit moderner Bäckerei und Kaffee. ganz klar ist die Darstellung bei Franzkowski allerdings nicht. Es ist aber anzunehmen, daß dieses Haus (Bäckerei Eitner) das frühere Gasthausgrundstück "Zur Sonne" war, während das aus der späteren Zeit bekannte Gasthaus "Zur Sonne" am Oberring nur den Namen übernommen hatte, als aus dem vormaligen Gasthaus gleichen Namens, die katholische Schule und Kirche geworden war.
Am 18. August 1891 wurde die Kuratie durch den Fürstbischof Georg zur Pfarrei erhoben. Zuvor hatte der Fürstbischöfliche Kommissar, Erzpriester Zajadacz, die Grundstücke Nr. 116 und 117 um 14 080 Mark gekauft, auf denen eine neue Kirche errichtet werden sollte. "Zajadacz kam selbst nach Neumittelwalde und bezog ein kleines Giebelstübchen, um eifrigst daran zu arbeiten, dem kirchlichen Notstande abzuhelfen." Bereits am 15. Mai 1893 konnte der Grundstein gelegt werden. Am 19. Juni war der Bau dann soweit gediehen, daß die Konsekration der Kirche "St. Josephi" durch Weihbischof Dr. Hermann Gleich unter Teilnahme von 19 Priestern und zahlreichen Gläubigen stattfinden konnte.
Neben der Kirche war gleichzeitig das schöne geräumige Pfarrhaus erbaut worden, und anschließend an dieses war schon der Platz für eine neu zu erbauende Schule vorgesehen. Die ersten Schritte zu einer katholischen Schule waren allerdings schon 1854 gemacht worden, und am 10. Oktober 1859 konnte im oben beschriebenen ersten Kirchengebäude auch eine Schulklasse eingerichtet werden. Ein eigener Schulbau konnte nach langen Verhandlungen jedoch erst im Jahre 1911 erstellt werden.

Nach dem Tode von Erzpriester Zajadacz erhielt die Gemeinde am 17. Januar 1900 ihren ersten investierten Pfarrer, Johannes von Glowczewski, dem am 30. Oktober 1907 Pfarrer Adolf Pitynek im Amte folgte. Nach dessen Zurruhesetzung übernahm die Pfarrei am 1.4.1911 der Militärseelsorger der 21. Division in Mainz, Pfarrer Max Otto Peukert, geboren am 27. Oktober 1880 zu Berlin. Pfarrer Peukert hat bis in die dreißiger Jahre hinein in Neumittelwalde als Seelsorger gewirkt.

In den letzten Jahren hatte Leonhard Hruschka, der am 13. April 1906 in Groß Wartenberg geboren wurde, das Pfarramt in Neumittelwalde inne. Er ist am 27. August 1970 in 3501 Naumburg gestorben.

Schulwesen und Kindergarten

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Neumittelwalder Kindergarten mit Schwester "Martha". Die Schwestern hörten alle auf diesen Namen.
über das frühe Schulwesen ist in der Viewegschen Schulchronik ausführlich berichtet. Vor der Jahrhundertwende leitete Rektor Strauchmann die evangelische Schule. Um die gleiche Zeit amtierte auch der Großvater des Verfassers, Lehrer Carl Labitzke, an der Schule und versah auch den Dienst als Organist an der evangelischen Kirche. (Letzter Kantor war Karl Eisert, geboren am 24. November 1880 in Liegnitz, gestorben am 17.4. 1947 in Neumittelwalde.) Aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sind die Namen der Schulleiter nicht mehr bekannt. Erinnert sei aber an die Hauptlehrer Barth und Rolle, Lehrer Alfred Hoffmann und den in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg amtierenden Rektor Hermann Reimnitz, sowie an Lehrer Arnold, Lehrerin Fräulein Wennrich, an Lehrer Hans Klawitter, Lehrer Hans und Lehrerin Fräulein Seefig.
Das alte Schulgebäude am Unterring hatte nach dem Ersten Weltkrieg den Anforderungen nicht mehr genügt und so wurde in der Amtszeit von Bürgermeister Jäschke eine neue Schule geplant und gebaut. Durch den Tod des letzten Sprosses der Grafen von Reichenbach der Neumittelwalder Linie, Rittmeister a. D. und Erbjägermeister des kaiserlichen Hauses, Christoph Graf von Reichenbach, ging dessen Grundstück an der Ecke Ossener - Kraschener Straße gelegen, in den Besitz der Stadt über. Im alten Teil des "Schlosses" wurde später die Nebenstelle der Kreissparkasse untergebracht, der restliche Teil diente Wohnzwecken. Im neuen Gebäudeteil, an der Kraschener Straße, erhielt die Stadt durch Umbau der Räume das längst notwendige Rathaus. Vorher war die Stadtverwaltung im Amtsgerichtsgebäude an der Bahnhofstraße in Mieträumen untergebracht. Im Garten des ehemaligen gräflichen Schlosses erstand die neue Volksschule, ein Bau nach den modernsten Gesichtspunkten, mit großen, hellen Klassenräumen. Für die Anfängerklasse wurde sogar bereits eine sogenannte "Tischelklasse" eingerichtet, im Gegensatz zu den bisher üblichen Bankklassen. Die Schule hatte alle nur erdenklichen modernen Einrichtungen, wie Haushaltsklassenräume und Kochschulräume, Handarbeitssaal, Duschräume und Bäder im Kellergeschoß und im ausgebauten Dachgeschoß eine Jugendherberge.
Hausmeister dieses wirklich praktischen und schönen
Abb. 93
"Tischelklasse" mit Frl. Seelig
Baues war der frühere Ziegelmeister der Kraschener Ziegelei, Gade, dem auch die gärtnerische Betreuung der Blumenrabatten und Anlagen oblag. Vorgesehen war in einem zweiten Bauabschnitt der Anbau einer modernen Turnhalle. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhinderte allerdings dann die Ausführung dieses Planes. Die "neue Schule" nahm auch die katholische Schule (als Lehrer waren damals wohl Sladek und Becker im Amt) als Gemeinschaftsschule auf. Die Räume der freigewordenen katholischen Schule an der Kirchstraße standen nun der katholischen Kirchengemeinde für die Jugendarbeit und andere kirchlichen Aufgaben zur Verfügung. Die evangelische Kirchengemeinde besaß in ihrem Gemeindehaus an der Kraschener Straße ein vortrefffiches gut eingerichtetes und repräsentatives Haus, mit Gemeindesaal, Kindergarten und der
Abb. 94
Arbeitsdienstabteilung auf dem Ring
Schwesterstation, das in den dreißiger Jahren durch Anbau eines neuen Kindergartens eine schöne Vergrößerung erfuhr. Die katholische Kirchgemeinde errichtete ebenfalls in der Amtszeit von Bürgermeister Jäschke dicht bei der katholischen Kirche an der Kirchstraße durch Umbau eines Wohnhauses das Josephsstift mit Schwesternstation und Kindergarten.
In das durch den Schulneubau frei gewordene alte Schulgebäude am Unterring zog in den Jahren 1934/35 der freiwillige Arbeitsdienst mit einer Arbeitsdienstabteilung der Gruppe 111 Oels ein. Durch Barackenbauten in einem Teil des angrenzenden Pfarrgartens der evangelischen Kirche wurde nach Einführung der Arbeitsdienstpflicht die Aufnahmefähigkeit des Lagers bedeutend erweitert.

Veränderungen durch die Grenzziehung von 1920

Die Grenzziehung nach 1920 bescherte Neumittelwalde auch die Einrichtung eines Grenzzollbezirkes mit dem Neubau der Grenzzollämter in Granowe und den Gemeinde Hirschrode (Klenowe), Landeshalt (Kraschen-Niefken), Kraschen und in Neumittelwalde selbst, des Zollamtes Bahnhof nebst den dazugehörigen Zollbeamtenwohnhäusern an der Kraschener Straße und an der Kirchstraße. (Die Häuser an der Kirchstraße wurden erst Ende der zwanziger Jahre gebaut.)

In dieselbe Zeit fiel auch die Gründung der Arbeiterzentrale (zunächst untergebracht im späteren Carl-Liebchenschen Grundstück) die mit einem Neubau an der Bahnhofstraße ein Durchgangslager schuf, das für die Abfertigung der alljährlich für die mitteldeutsche Landwirtschaft angeworbenen polnischen Saisonarbeiter diente. Es mögen jeweils gegen 20 000 Personen gewesen sein, die für einige Wochen im Frühjahr und im Herbst dem Eisenbahnverkehr auf dem Grenzbahnhof in Neumittelwalde eine besondere Note gaben. Auch der Bahnhof Neumittelwalde erfuhr einen großzügigen Ausbau. Die Abfertigungsgebäude wurden erweitert, Zollschuppen neuerrichtet. Die Gleisanlagen bedeutend erweitert und neue Beamtenwohnhäuser errichtet. Dieser Bahnhof erhielt einen Umfang, der für Jahrzehnte allen Anforderungen entsprach.

In die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg fiel auch der Neubau von zwei Sägewerken, von denen das Rosemannsche Sägewerk später in den Besitz der Vereinigten Holzindustrie AG überging. Diese Firma hatte auch in Breslau größere Werke, sie kaufte in allen nord- und osteuropäischen Ländern große Mengen Stammholz, das in den eigenen Sägewerken zu Bau- und Tischlerholz aufgearbeitet wurde. In den Wintermonaten brachten polnische Holzfuhrleute mit ihren Pferdegespannen, Wagen oder Schlitten, das Stammholz über die Grenze zu den Sägewerken. In manchem Jahr zogen diese Holztransporte vom frühen Morgen bis zum späten Abend von der Grenze her durch die Stadt, monatelang.
Abb. 95
Grenzzollämter wurden errichtet, hier das Grenzzollamt Granowe, an der Straße nach Adelnau


Und in den Spätherbsttagen passierten oft Tausende von "Grenzgängern" im "Fußmarsch" die Grenze, in breiter Front die Straßen füllend. Es waren die polnischen Gänse, die von einer Treibermannschaft zum Bahnhof in Neumittelwalde getrieben wurden, dort tierärztlich untersucht und in Spezialwagen der Eisenbahn verladen, den Weg in die Mastanstalten antraten und gegen die Weihnachtszeit in vielen deutschen Großstädten als Festbraten in der Bratpfanne, herrlich knusprig, dem Gaumen und Magen als Labsal, den Höhepunkt des weihnachtlichen Festmahls darstellten.
Bedeutsame änderungen brachte die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg auch durch die Aufteilung verschiedener Güter in Landsiedlungen. Aufgeteilt und gesiedelt wurde u. a. in Kraschen, in Ossen-Oberhof und Ossen-Schloß. An der Ossener Gemarkungsgrenze gegen die Stadtgemarkung entstand eine geschlossene Nebenerwerbssiedlung. Durch Ansiedlung von Landwirten (hauptsächlich aus Westfalen) auf den neugeschaffenen Stellen, erfuhr auch das Wirtschaftsleben der Stadt einen gewissen Auftrieb.

ärzte und Zahnärzte

Gewiß ist, daß in der frühen Geschichte wohl nur heilkundige Laien - wie überall waren es die Schäfer auch den menschlichen Leiden zu begegnen suchten. "Weise Frauen" mögen mit "Besprechungen" und Kräutern quacksalbert haben. Beide Gruppen fanden auch noch bis in die letzten Tage (um 1945) ihre Kundschaft und "gläubige" Kranke. Wer jedoch in früherer Zeit einen wirklichen Arzt brauchte, mußte schon den weiten Weg nach Oels oder Breslau zurücklegen.
Der erste dem Namen nach noch bekannte Arzt war ein Dr. Weiß. Später war es Dr. Kuhn und dessen Nachfolger Dr. Karl Thon, der 1961 in Exten bei Rinteln gestorben ist. Mit deren Tätigkeit hatte die Bevölkerung eine gute ärztliche Versorgung am Ort.
Abb. 96
Die alte Postkutsche vor ihrer letzten Abfahrt in Neumittelwalde am 19.11.1910 Auf dem Kutschbock Fahrer Likow am rückwärtigen Wagenschlag der Arzt Dr. Kuhn.

Ebenso war es mit den Zahnärzten bestellt. Bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges zog der Bader (Friseur) die Zähne, manchmal wird auch der jeweilige Arzt eine Extraktion vorgenommen haben. Erst die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg blieb es vorbehalten, daß sich Zahnärzte in Neumittelwalde niederließen. (Walter Forelle, Edlich, Pohlenz, Büsser). Als Heilpraktiker eröffnete Gläsner auf der Kirchstraße eine Praxis.

Hinzu gesellte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg ein Tierarzt, der in seinem Bereich genügend "Patienten" hatte. Der letzte Tierarzt war Dr. Justus Barbarino, dessen sehr geräumiges neu erbautes Haus an der Stadtgrenze gegen Kraschen gelegen heute zum Entbindungsheim umfunktioniert wurde.
Abb. 97
Das vordem Ersten Weltkrieg erbaute Amtsgericht in der Bahnhofstraße (Herrenstraße)


Das Amtsgericht

Neumittelwalde war auch Sitz eines Amtsgerichtes. Wer kannte nicht das "Altes Gericht" genannte Haus in der Kraschener Straße gegenüber des evangelischen Gemeindehauses. Mindestens bis in die Zeit nach der Jahrhundertwende war dort das Amtsgericht untergebracht, bis es vor dem Ersten Weltkrieg in das an der Bahnhofstraße neuerbaute Gerichtsgebäude mit Strafgefängnis einziehen konnte. Es war eins der wenigen repräsentativen Gebäude der Stadt. Amtsgerichtsrat Krug und in den späteren Jahren Amtsgerichtsrat Dr. Goebel mögen als dort amtierende Richter nur in Erinnerung gebracht werden. Natürlich kann dieser Beitrag nicht das vielschichtige und vielgestaltige Leben in Neumittelwalde vollkommen und umfassend wiedergeben. Er soll eben nur "ein Beitrag" sein, um die Vergangenheit und die Erinnerung an Neumittelwalde zu bewahren und sie nicht ins Dunkel zurücksinken zu lassen.

Quellenangaben:
Herbert Schlenger, "Aus der Entwicklung von Neumittelwalde" Verlag Karl-Heinz Eisert, Schwäbisch Gmünd, 1961. Gekürzter und veränderter Abdruck der Festschrift "Wie eine Grenzstadt wurde". (Neumittelwalde 1937).
Johann Ernst Wilhelm Vieweg "Chronik der Stadt Medzibor, der Kirche und der Schule daselbst" (Handschriftliche Abschrift beim Verfasser.)
Joseph Franzkowski, "Geschichte der freien Standesherrschaft, der Stadt und des landräthlichen Kreises Groß Wartenberg". Selbstverlag des Verfassers, Groß Wartenberg, 1912.
Briefwechsel mit Min.-Dir. Gottfried Eisert, Stuttgart, aus den Jahren 1958-1962.
Groß Wartenberger Heimatblatt, Schwäbisch Gmünd/Alfdorf, Jahrg. 1958 bis 1970.

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