Der Kreis Groß
Wartenberg im Mittelalter
Daten von Thomas Oszinda
Innere Verhältnisse im Mittelalter am Beispiele des Kreises
Groß-Wartenberg *Quelle: "Geschichte der freien Standesherrschaft, der
Stadt und des landrätlichen Kreises Gross Wartenberg" von Joseph
Franzkowski (Weihnachten 1911)
"...Eine Stadt gab es im ganzen Lande nicht,
sondern nur Burgen mit einer Kapelle, bei denen ein Markt für die Bedürfnisse
der Landbewohner stattfand. Das Volk hatte kein Salz, kein Eisen, keine Münzen,
kein Metall, keine brauchbaren Kleidungsstücke und Schuhwerk, es weidete allein
nur seine Herde." So schildert ein Leubuser Mönch ín einigen lateinischen
Versen den Zustand des Landes gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts und
diese Schilderung darf wohl auch auf unsere Gegend Anwendung finden. Gerste,
Hafer, Roggen, Hirse und Flachs wurden hauptsächlich angebaut. Die Viehzucht
war beträchtlich. Wilde Aepfel und Birnen waren die heimischen Obstsorten.
Angeregt namentlich durch die fleißigen Mönche kam der Garten-, Gemüse- und
Weinbau, die Obstbaumzucht und Teichwirtschaft in Aufschwung. Bienenzucht wurde
längst schon eifrig betrieben und die Herzöge betrachteten den in Wäldern und
Heiden gewonnenen Honig als ihr Eigentum, worüber ein herzoglicher Beamter, der
Honiger, Aufacht gab. Aus Honig bereitete man Met, aus Wachs Kirchenkerzen. In
den ausgedehnten Waldungen gab es außer unserem jetzigen Wilde noch Bären,
Elenhirsche, Auerochsen, Luchse und Wölfe. ...
Durch Wölfe hatte unsere Gegend
noch im 18. Jahrhundert viel zu leiden. ...
Die Gewässer waren sehr fischreich
und an Ihren Ufern baute der Biber seine kunstvollen Wohnungen. Letzterer fand
sich in so großer Zahl vor, daß der Herzog besondere Biberjäger anstellte.
Schwanz und Füße dieser Tiere galten als Leckerbissen für die fürstliche
Tafel und Biberpelze waren sehr geschätzt. ...
Die eingeborenen Polen gerieten
nach und nach in völlige Leibeigenschaft, gehörten zum Grund und Boden des
Gutes und mußten drückende Dienstpflichten leisten. Als solche werden
urkundlich unter polnischen Bezeichnungen erwähnt: poradlne = Pflug- oder
Hufenzins, podworowe = Hof- oder Platzsteuer, podymne = Rauchfangsteuer, lesne =
Wald- oder Holzsteuer, targowe = Marktsteuer, powoz = Verpflichtung zu Hand- und
Spanndiensten, przewod = Verpflichtung zur Wegweisung, stroza = Verpflichtung
zur Bewachung des Herrenhofes und der Burg, zur Hilfeleistung bei Burg- und
Festungsbauten; przesieka = Verpflichtung zur Aufeisung der gefrorenen Mühl-
und Wallgräben, zum Fällen des Holzes, zum Gras- und Getreidemähen; psare =
Verpflichtung, den herzoglichen Jägern und Hunden Unterkunft und Unterhalt zu
gewähren; narzaz = Verpflichtung, Schweine und Schinken in die herzogliche Küche
zu liefern; stan = Verpflichtung der Adligen dem Herzoge auf Reisen oder auf der
Jagd Nachtherberge zu geben u. s. w. Ueberdies war jeder waffenfähige Mann zum
Kriegsdienste verpflichtet. Manche dieser allgemeinen Lasten wurden in
Geldabgaben verwandelt. Weil die Untertanen wegen dieser Verpflichtungen
vielfach harten Bedrückungen ausgesetzt waren, erließ die Synode zu Leneczye,
(1180) welcher auch Herzog Boleslaw und Bischof Zyroslaw II. von Breslau
beiwohnten, strenge Verordnungen und der Metropolit, Erzbischof Zdzyslaw von
Gnesen, bedrohte alle Uebertreter derselben mit der Strafe des Kirchenbannes.
Die Burg, von welcher aus die Verwaltung des dazu geschlagenen Gebietes geübt
wurde, war auf eine Erhöhung in den Sumpf gebaut und mit einem Wall umgeben. In
der Burg wohnte der Kastellan oder Burggraf, der als Statthalter des Landesherrn
anfänglich große Macht und hohes Ansehen besaß und als politischer und militärischer
Chef des Kastellanei-Distrikts die ganze ausführende Gewalt in Händen hatte,
weshalb er auch über die in der Burg liegende bewaffnete Mannschaft verfügte.
...
Obwohl die Existenz der Burg Wartenberg bis ins letzte Viertel des XIII.
Jahrhunderts urkundlich sich nicht erweisen läßt, so ist doch mit ziemlicher
Sicherheit anzunehmen, daß sie längst schon bestanden hat. ...
Unbewohnte oder
dünn besetzte Ländereien konntenden Fürsten nur geringe Erträge liefern. Um
sich größere Vorteile zu verschaffen, wie die schlesischen Herzöge sie, dank
Ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen zu deutschen Fürstenhöfen und ihres
Aufenthalts in Deutschland kennen gelernt hatten, suchten sie deutsche Ansiedler
in Ihr Land zu bringen. Dies konnte Ihnen aber nur dann gelingen, wenn sie
denselben ihre Freiheit, ihre altgewohnten Rechte und liebgewonnenen
Einrichtungen beließen und dazu noch erwünschte Vergünstigungen gewährten.
Welcher Deutsche hätte sich wohl auch in die Verhältnisse hineinfinden können
und zur Übernahme solch ungewohnter Lasten herbeigelassen, wie diejenigen es
waren, unter denen die eingeborenen polnischen Einwohner lebten! Die bedeutenden
Vorzüge, deren die deutschen Kolonisten sich erfreuten und die großen
Vorteile, welche den Herzögen erwuchsen, waren sowohl für diese, als auch für
die anwohnenden polnischen Leibeigenen oft die Veranlassung, schon bestehenden
Ortschaften deutsches Recht zu verschaffen. Eine allgemeine Einführung des
deutschen Rechts fand nicht statt; sie geschah nur einzelnweise nach und nach.
Zur Anlage eines neuen oder zur Begabung eines bereits bestehenden noch
polnischen Ortes mit deutschem Recht gehörte vor allem die urkundliche
Genehmigung des Landesherrn und dessen Verzicht auf verschiedene, ihm bisher
zustehende Rechte, insbesondere wurde die Befreiung von der
Kastellangerichtsbarkeit ausgesprochen. ...
Der Hauptvorteil der Einwohner eines
nach deutschem Recht ausgesetzten Ortes bestand in der eigenen Gerichtsbarkeit
und der Ableistung gemessener Dienste. Es eröffnete sich nun für jeden die
Aussicht, durch Fleiß und Sparsamkeit sein Eigentum zu vermehren und die Früchte
der Arbeit im Kreise der Familie in Ruhe zu genießen. Solch Bewußtsein wirkte
erhebend und anspornend. Bald zeigte das Land ein verändertes Gesicht. Wälder
wurden gelichtet und gerodet, Sümpfe getrocknet, der Lauf der Flüsse geregelt,
- die Landwirschaft blühte auf. Wir dürfen mit gutem Grund annehmen, daß in
der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts schon eine beträchtliche
Anzahl von Dörfern unserer Gegend zu deutschem Recht ausgesetzt worden ist, ein
völlig zuverlässiger Beweis kann jedoch nur für zwei Fälle erbracht werden
und zwar durch die betreffenden Aussetzungsurkunden. ...
Die großen Vorteile,
welche der Landmann ursprünglich bei Auslegung der Dörfer zu deutschem Recht
genoß, waren nicht von Bestand. Seine Freiheiten gingen mit der Zeit meist
verloren, neue Lasten und immer größere Geld- und Getreidezinsen und Dienste
wurden ihm auferlegt. Wenn man weiß, wie ansehnlich das war, was der Landesherr
unter dem Namen des Geschosses und Münzgeldes erhob und in der Regel dasselbe
zugleich mit den Obergerichten zuweilen über Hals und Hand, ja mit dem Rechte
zu hängen und zu blenden, verpfändete und verkaufte, so begreift man, wie nach
und nach die Bauern, nunmehr wirklich Gerichtsinsassen und bald Untertanen des
Obergerichtsherrn von diesem, der so viel von Ihnen zu erheben und über ihr
Wohl und Wehe in seiner Hand hatte, anfänglich bitt- und ausnahmsweise veranlaßt,
dann gewohnheitlich genötigt, endlich durch vom Herrn aufgenommene Grundbücher
(Urbarien) dazu verpflichtet, immer weiter bis zur Gutshörigkeit, ja
Leibeigenschaft herab gedrückt werden konnten. Dazu kamen später noch
Laudemien, Mark- und Zählgroschen. Zu den Lasten, denen die bäuerlichen
Besitzer in den Zeiten der Leibeigenschaft und Hörigkeit außer den Natural-
und Geldleistungen insbesondere noch unterworfen waren, gehörten die Roboten,
persönliche Dienstleistungen gemeiner Art, welche bäuerliche Besitzer entweder
ganz unentgeltlich oder doch nur gegen eine in der Regel unverhältnismäßig
geringe Vergütung ihren Grundherrn schuldig waren. Sie bestanden in den
verschiedensten Spann-, Hand-, Wacht-, Bau-Diensten, Botengängen etc.
Spanndienste konnten selbstverständlich nur von bespannten Wirten verlangt
werden; Handdienste leisteten meist diejenigen, welche keine Anspanngüter
(Pferde und Ochsen) besaßen. Das notwendige Arbeitsgerät mußte der
Verpflichtete mitbringen. ...
Das Maß der Roboten war nicht überall dasselbe;
es hing hauptsächlich vom Bedürfnis der Bewirtschaftung jedes einzelnen Gutes
und vom rechtsverjährten Herkommen ab. Diese Verschiedenheit konnte einen
keineswegs gedeihlichen Einfluß ausüben. Bedrückung auf der einen,
Unzufriedenheit und Erbitterung auf der anderen Seite gaben Anlaß zu beständigen
Klagen. ...
Während und nach dem 30 jährigen Kriege, da viele Dörfer verwüstet,
viele Felder in Wälder verwandelt waren, viele Bauergüter ihre Eigentümer
verloren hatten, zogen die Besitzer der Rittergüter die besten Grundstücke ein
und vereinigten sie mit ihren Vorwerken, gründeten wohl auch, was mehrfach
geschah, neue Rittersitze, gaben herbeigezogenen Ansiedlern nicht mehr ganze
Bauergüter, sondern setzten nur Gärtner oder Häusler aus, weigerten sich
obendrein die Lasten der eingezogenen Güter zu tragen und wälzten dieselben
den Untertanen zu, die jetzt mit doppelter Anstrengung die vergrößerten bezw.
vermehrten Besitzungen ihrer Grundherrn bearbeiten mußten. Dies war überall
dort der Fall, wo wir heut noch entweder gar keine oder nur sehr wenige Bauergüter,
dafür aber viele Gärtner- und Häuslerstellen finden. - Die Mehrzahl des
Landvolkes lebte in jämmerlichen Zuständen. Konnte es denn aber anders sein?
War es dem an die Scholle gebundenen, dem Gutsherrn zu unangemessenen Diensten
verpflichteten, in förmlicher Leibeigenschaft gehaltenen, gleichsam zum
lebenden Inventar der Herrschaft gehörenden Landmanne möglich, sich zu
wirtschaftlicher Selbständigkeit zu erheben?!..."
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