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Das Archipresbyterat Groß Wartenberg

1. Die Parochie Groß Wartenberg

Den ersten sicheren Beweis für das Vorhandensein der Stadtpfarrkirche gibt uns die bereits erwähnte Urkunde vom 10. August 1287. Ob diese Kirche schon das auf uns gekommene gegenwärtige, den Apostelfürsten Petrus und Paulus geweihte Gotteshaus war, ist fraglich; doch darf ihre Erbauung für eine frühere Zeit angenommen werden, als H. Lutsch in seinem "Verzeichnis der Kunstdenkmäler Schlesiens" (Breslau 1889) annimmt, in dem er den Ausgang des 15. Jahrhunderts angibt. Noch im Jahre 1758 befand sich in der Westwand unter dem Gewölbeschluß folgende deutlich lesbare Inschrift: "Anno 1446 d. 16. Juli haec testudo consumata est." Damit ist aber noch nicht bewiesen, daß der Kirchbau 1446 erst vollendet worden sei; es kann sich diese Inschrift auch ebensogut auf einen Reparaturbau bezogen haben, der infolge erlittenen Brandschadens nötig geworden war. (Vergleiche Seite 33). Das Kirchengebäude ist ein gotischer Ziegelrohbau, dessen dreischiffiges Langhaus zwei lange, dessen nach 3 Seiten des Sechsecks geschlossener Chor drei kurze Joche aufweist. An der Süd- und Nordseite des Langhauses ist je eine Kapelle angeordnet; an der letzteren auch die Sakristei. Die ursprüngliche Anlage des Kirchengebäudes war basilikal, wofür sich bei dem jüngst ausgeführten großen Renovationsbau die sichersten Beweise ergaben. Bei dieser Gelegenheit fanden sich nach Entfernung des alten Putzes der inneren Wandflächen Weihekreuze, Zeichen, daß die Kirche einst die bischöfliche Konsekration erhalten hat. Reparatur- und Anbauten haben im Lauf der Zeiten das Gotteshaus umgestaltet. So ist an der Südseite des Chores, zwischen diesem und der heutigen Trinitatiskapelle im Jahre 1478 die Marienkapelle erbaut und konsekriert worden. Der Stadtbrand von 1494 hatte das Gewölbe über dem Presbyterium zerstört, die Herren von Haugwitz als Kirchenpatrone ließen dasselbe wiederherstellen, was ein Schlußstein, der das von Haugwitz'sche Wappen zeigt, beweist. Auch im Stadtbrande von 1554 kam die Pfarrkirche zu großem Schaden; ihre Instandsetzung konnte wegen der Wirren der Zeit erst 1559 erfolgen, was die früher ebenfalls über dem Orgelchor angebracht gewesene Inschrift "Renovatum anno 1559" bezeugte. Um diese Zeit ging die Kirche in protestantische Hände über, bis sie 1601 wieder dem katholischen Kult zurückgegeben wurde. 1609 errichtete man, anstoßend ans Presbyterium, fast die halbe Marienkapelle einnehmend, das herrschaftliche Oratorium, welches der Kirche keineswegs zur Zierde gereichte und deshalb 1905 entfernt wurde. 1613 ließ Burggraf Karl Hannibal von Dohna unter der Kapelle an der Nordseite des Langhauses eine Familiengruft herrichten, in welcher zuerst die irdische Hülle seines Vaters, des Burggrafen Abraham, in einem kostbaren, kunstvoll gearbeiteten Zinnsarge beigesetzt wurde.
Schwere Zeiten hatte die Kirche während des Dreißigjährigen Krieges zu bestehen. 1633 wurde sie abermals protestantisch, kam aber 1636 wieder in katholischen Besitz. Wiederholt ist sie entweiht und beraubt worden, weshalb die heiligen Gefäße auf der Burg verwahrt wurden. Im Stadtbrande von 1637 blieb zwar die Pfarrkirche unversehrt, aber es brannte der abgesondert stehende Glockenturm aus, wobei das Geläute vernichtet wurde. Nachdem der Turm wieder hergestellt war, wurde 1656 ein neues Geläute angeschafft. Die große Glocke wog 24, die mittlere 15, die kleine 8 Zentner. Im Dachreiter (dem Türmchen auf dem Dachfirst der Kirche) ging das Elevationsglöcklein. Nach dem Visitationsbericht des Archidiakons Peter Gebauer vom 12. April 1638 befanden sich in der Kirche acht Altäre; der Hauptaltar, zwar profaniert, war schön und neu, mit einem kunstvollen Tabernakel für das Allerheiligste. Unter den Bürgern bekannten sich damals nur 30 zum katholischen Glauben. Ein sehr trauriges Bild gibt der Visitationsbericht des Kanonikus Martin Philipp Walter, welcher in Vertretung des Archidiakons Sebastian Rostock am 10. September 1651 Kirchenvisitation hielt. Das Kirchengebäude erschien so ruiniert, daß die gottesdienstlichen Handlungen nur mit Gefahr vollzogen werden konnten, das Dach schlecht, die Gewölbe durch Schnee und Regen gelöst, die Fenster zerbrochen und ausgeschlagen. Die so notwendigen Reparaturen konnten nicht vorgenommen werden, weil der Magistrat die von der Kirche entliehenen Kapitalien weder erstattete noch verzinste, die Einkünfte der Kirche, des Pfarrers, des Kaplans und der Kirchenoffizianten für sich einzog, niemand Rechenschaft gab und in allem nach Willkür verfuhr. Darum war der Pfarrer, welcher das Recht der Kirche suchte, verhaßt und man leistete ihm in allem Widerstand. An Paramenten hatte die Kirche Hinreichendes: eine silberne Monstranz, drei silberne, innen vergoldete Kelche, fünfzehn Kaseln, 4 Alben etc. Von den neun Altären schien keiner geweiht zu sein. In der Stadt gab es 200 Katholiken; es wären ihrer mehr gewesen, wenn nicht der Magistrat hindernden Einfluß ausgeübt und die Konvertiten selbst sich Schutz und Hilfe bei der Landesherrin und dem Magistrat hätten versprechen können. Die Kirchväter (Vorsteher) waren vereidet und bezogen nach alter örtlicher Observanz den 15. Groschen. Eine erfreuliche Wendung zum Bessern zeigt das Protokoll über die Generalvisitation, welche Archidiakon Weihbischof Neander am 26. September 1666 vornahm. Als er am Vorabend hier anlangte, wurde er am Stadttor feierlich empfangen und unter Teilnahme der Schützengilde zum Pfarrhause geleitet. Kirche und Kirchenmauer waren restauriert; auch das Innere des Gotteshauses machte einen guten Eindruck. Ein großer Vorrat von zum Teil kostbaren Paramenten war vorhanden. Die hinreichend große und gute Orgel befand sich auf dem Kleinchor über der Sakristei, dem herrschaftlichen Oratorium gegenüber, die kunstvoll gefertigte Kanzel etwa in der Mitte der Kirche. Das Kirchweihfest wurde am Sonntag nach Peter und Paul gefeiert. Die Hälfte der Bürgerschaft war katholisch; alle Beamtenstellen waren mit Katholiken besetzt. 1700 erhielt die Kirche ein neues großes Orgelwerk, das auf dem Hauptchor Auffstellung fand. In der Nacht vom 29. zum 30. Oktober 1742 wurde die Kirche beraubt und ihr 2.000 Reichstaler an Geld, Pretiosen und Paramenten entwendet. Nach dem Bericht des Bürgermeisters Burchard vom 30. Januar 1758 zählte damals die Stadt in 137 katholischen Familien 509 katholische Seelen; in 94 evangelischen Familien 354 evangelische Seelen. Sie war demnach überwiegend katholisch. Gegen Ende des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der katholischen Einwohner auffallend ab, was zum Teil auf die häufiger werdenden Mischehen zurückzuführen ist. Das Verderben, welches der furchtbare Stadtbrand 1813 über Kirche und Gemeinde brachte, ist schon auf Seite 203 geschildert worden. Mit den Wiederherstellungsarbeiten wurde alsbald begonnen, um schnellstens die Abhaltung der Sonn- und Festtagsgottesdienste zu ermöglichen. Königlicher Oberbauinspektor Geisler-Breslau veranschlagte die Wiederherstellungskosten bezüglich der Kirchen- und Pfarrgebände auf 7.786 Reichstaler 16 Silbergroschen 2 Pfennig, bezüglich des Kirchenoffizianten- bzw. Schulgebäudes auf 1.593 Reichstaler 27 Silbergroschen. An eine ordentliche Wiederherstellung des Gotteshauses konnte in der damaligen, ohne dies bedrängten Zeit, nicht gedacht werden, man beschränkte sich aufs Allernotwendigste. Die drei Schiffe des Langhauses wurden mit Gipsdecken versehen, das Dach, weil die Giebel nicht aufgeführt wurden, abgewalmt, der ganze Bau dadurch völlig verunstaltet. Im August 1818 galten die Wiederherstellungsarbeiten als beendet, und als Weihbischof Emanuel von Schimonsky nach Wartenberg kam, um das Sakrament der Firmung zu spenden, weihte er am 16. Oktober desselben Jahres die Kirche. Aus der Königlichen Haupt-Kollektenkasse erhielt die Kirche als Beihilfe zur Bestreitung der Baukosten 600 Reichstaler angewiesen. Außerdem war dazu der Erlös der durch Pfarrer Juraschek - leider! - in wahrhaft wenig pietätvoller Weise zum Verkauf gebrachten drei Metallsärge aus der Burggräflich von Dohnaschen Familiengruft im Betrage von 323 Reichstalern 20 Silbergroschen verwendet worden. Vom Ausbau des Glockenturmes und von Beschaffung des Geläutes (nur das von 1732 war im Stadtbrande unversehrt geblieben) hatte man vorläufig ganz abgesehen. 1821 traf man Anstalten zur Wiederherstellung des Glockenturms, zur Beschaffung eines neuen Geläutes und einer Orgel. In der Voraussetzung, daß die Gemeinde sich zum Uebrigen willig finde, verpflichtete sich das Patronat, 500 Taler zum Turmbau zu geben, während Prinz Gustav Biron selbst bereit war, eine neue Orgel ganz auf seine Kosten erbauen zu lassen; der bald darauf erfolgte Tod des Standesherrn machte jedoch alle Pläne zuschanden. -
1827 wurden zwei neue Glocken (Petrus und Paulus) angeschafft und in einen hölzernen, auf dem Kirchplatze aufgestellten Notglockenstuhl gehängt. Glockengießer Meyer-Liegnitz lieferte dieselben unter Anrechnung des übernommenen geschmolzenen Gutes der alten Glocken für 597 Taler. Anfuhr und Aufstellung erforderten eine Ausgabe von noch 103 Taler. 1840 ließen die Gebrüder Prinzen Biron in Ausführung eines testamentarischen Wunsches ihres Vaters eine neue schöne Orgel durch Müller und Söhne aus Breslau erbauen, welche 1.200 Taler kostete. Bis dahin hatte man sich mit einem sog. Positiv beholfen.
Zweiundneunzig Jahre mußten dahingehen, ehe das Gotteshaus würdig wieder hergestellt werden konnte. Trotz mannigfach vorgenommener Flickarbeit war ein gründlicher Renovationsbau nicht mehr zu umgehen. Noch gegen Ende seines Lebens ließ Stadtpfarrer Dilla durch Kreisbaumeister Maas-Oels den Bauplan entwerfen. Durch die Krankheit und den Tod des Pfarrers kam die Bausache ins Stocken. Der neue Pfarrer brachte sie bald wieder in Fluß. Da der Maas'sche Plan aus mehrfachen Gründen keine Zustimmung fand, wurde Königlicher Baurat Adolf Köhler-Oels mit der Ausarbeitung eines neuen Entwurfs betraut, welcher allseitig genehmigt wurde. Die eifrig betriebenen Verhandlungen waren so weit gediehen, daß am 26. April 1905 die Bauarbeiten beginnen konnten. Die Oberleitung lag in den bewährten Händen des Königlichen Baurats Köhler, die Ausführung wurde dem Baumeister Weber-Kempen übertragen. Noch in demselben Jahre war das Aeußere mit den beiden neuen Anbauten (der Vorhalle vor dem Hauptportal nebst besonderem Treppenhaus zur Orgelempore, der Bälgekammer über der Vorhalle mit Dachgeschoß und dem neuen Giebel an der Westseite und einem Vorbau zu der unteren und oberen Sakristei an der Nordseite) sowie dem barocken Dachreiter fertiggestellt. Im nächsten Jahre erfolgte die Renovation des Innern. 1907 wurde nach Professor Bohns Disposition das fast ganz neue Orgelwerk durch die Firma Spiegel-Reichtal aufgestellt; desgleichen der renovierte Marien- und Trinitatisaltar, sowie die Kanzel, wozu vom Provinzialausschuß durch Vermittelung des Provinzial-Konservators eine Beihilfe von 500 Mark gewährt wurde. Im folgenden Jahre erhielt die Kirche ein neues Gestühl. Zu besonderem Schmuck gereichen dem Gotteshause die drei Fenster mit Glasgemälden im Presbyterium, aus der Kunstanstalt von Schneiders & Schmolz zu Göln am Rhein hervorgegangen. Das Mittelfenster mit den Bildnissen der heiligen Apostelfürsten ist eine Stiftung des verstorbenen Stadtpfarrers Dilla, die beiden andern, dasselbe flankierenden Fenster sind Geschenke des Königlichen Geheimen Justizrats Dr. Wieczorek. Kaufmann Joseph Pistelok ließ auf eigene Kosten eine neue Kommunionbank aufstellen. Die prächtigen vier Fenster der Marienkapelle (ebenfalls aus der Kunstanstalt von Schneiders & Schmolz) verdankt das Gotteshaus der Munifizenz Sr. Durchlaucht des Prinzen Gustav Biron von Curland. Zur würdigen inneren Ausstattung des Gotteshauses gehört freilich noch sehr viel, obwohl schon Großes geleistet worden.

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